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  • Uganda 2014 - Ein Reisetagebuch

Uganda 2014 - Ein Reisetagebuch

In late summer of 2014, I traveled the East African country of Uganda for five weeks, together with my good friend Paul. This is the digital version of the travel diary I kept throughout the journey, in which I have written my personal impressions of this beautiful country and its people. It is full of awesome and less awesome photographs, where the awesome ones are taken by Paul (marked with [Paul]), whereas the meh ones are taken by myself. You'll see :).

Most of All the content is in German. The journal entries are sorted by date, earliest first.

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I saw a friend of mine the other day
And he told me that my eyes were gleamin'
I said I had been away, and he knew
He knew the depths I was meanin'.

Ben Howard

  • Landung in Entebbe
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  • 8. August 2014

Eine andere Welt!

Schon die Ankunft am Flughafen in Entebbe machte dies mehr als deutlich. Ein scheinbar heruntergekommenes Flughafengebaude, eine Landebahn inmitten grasender Ziegen; auf der einen Seite durch Wasser, auf der anderen durch einen Maschendrahtzaun begrenzt, hinter dem einheimische Kinder den ankommenden Flugzeugen winken. Mit Sturmgewehren bewaffnete Polizisten an jeder Ecke. Und roter Staub! Überall.

Die Touristen-Abfertigung im internationalen Flughafen von Entebbe ist etwas verwirrend, so dass wir es irgendwie schaffen, uns aus Versehen an der Passkontrolle vorbeizuschleichen. Ein bisschen wundern tun wir uns schon, dass niemand unser Visum sehen will, aber inzwischen sind wir bereits am Gepäckband angekommen und viel zu sehr damit beschäftigt, unsere zahlreichen Koffer in der Menschenmenge auszumachen. Dass der fehlende Stempel im Visum zu Problemen führen würde, ist uns zu diesem Zeitpunkt nicht bewusst...

Willkommen geheißen werden wir von Pauls Schwester Maria und einigen anderen Freiwilligen aus Fort Portal. Mit Gepäck passen wir natürlich nicht alle in den Mietwagen, also entscheiden wir uns kurzerhand, die 40 km bis Kampala im Matatu zurückzulegen - womit das erste große Abenteuer seit dem langen Flug von Düsseldorf beginnen sollte. Und es sollte nicht das letzte Abenteuer des heutigen Tages bleiben, aber dazu später mehr.

Die staubige Straße von Entebbe nach Kampala ist gesäumt von Sinneseindrücken, die man nur schwer in Worte fassen kann. Dennoch: Die knalligen Farben der aneinander gereihten Kaufläden, die von Plastikspielzeug über Polstermöbel bis hin zu Lebendgefieder fast alles verkaufen, was man sich vorstellen kann; davor Händler und Käufer, die um die Waren feilschen; die Kinder, die zwischen den Hühnern und Ziegen auf der Straße spielen. Immer wieder steile, mit Bananenpflanzen bewachsenen Abhänge, die sich zwischen dem geschäftigen Treiben auftun.

Wir sind müde von der langen Reise. Aus dem Matatu-Radio tönt scheppernd arabisch klingende Musik. Man lässt sich davon einlullen, bis man durch eines der zahlreichen Schlaglöcher in die Realität zurückgeholt wird.

Beim Lesen dieses Tagebuches werden euch einige Wörter unterkommen, die ihr noch nie gehört habt. Dafür habe ich ein kleines Glossar angelegt, aus dem ihr die ersten Einträge unten lesen könnt.

  • Glossar Eintrag nō 1:   Transportmittel in Uganda

Matatus sind umgebaute japanische Kleinbusse, ursprünglich ausgelegt für den Transport von 8 Fahrgästen. Hier in Uganda werden bis zu 27 Personen plus Federvieh in ein Matatu gequetscht; man hat so gut wie nie einen Platz für sich allein. Die Taxi-ähnlichen Transportmittel fahren erst dann los, wenn sie voll sind. Fahrpläne: Gibts nicht.

Boda-Bodas sind das bevorzugte Kurzstrecken-Transportmittel in Uganda. Die meisten Reiseführer raten von einer Fahrt auf einem dieser Motorrad-Taxis, strikt ab - aber ehrlich Leute, ihr könnt euch nicht vorstellen, wie viel Bock das macht! Und die Dinger sind superpraktisch. Man findet eigentlich immer irgendwo ein Boda, auch mitten in der Nacht. Einmal kurz winken, mit dem Fahrer einen Preis aushandeln (Richtwert ist immer ca. die Hälfte von dem, was der Fahrer vorschlägt), und los gehts. Helm oder Schutzkleidung: Fehlanzeige. Hinter dem Fahrer ist locker Platz für zwei Personen und ein Huhn. Zu dritt und mit Ziege wird es schon etwas eng, geht aber alles. Boda-Boda ist übrigens eher die Bezeichnung für die Dienstleistung. Das Motorrad als solches ist ein Piki-Piki. Die meisten Fahrer verleihen ihre Pikis auch, und wenn man Glück hat, erwischt man eins, bei dem nicht auf halber Strecke die Kupplung abbricht.

Reisebusse: Längere Strecken, wie zum Beispiel Kampala - Fort Portal, legt man am besten im Bus zurück. Die sind meist schneller als die Matatus und angeblich deutlich komfortabler, was sich jedoch nicht unbedingt mit meinen Erfahrungen deckt. Platz hat man im Bus genausowenig wie im Matatu, dafür ist die Fahrt oft weniger halsbrecherisch. Personenzugverkehr existiert in Uganda überhaupt nicht. Und da die meisten Straßen in einem katastrophalen Zustand sind (meterbreite und -tiefe Schlaglöcher sind keine Seltenheit), ist man für eine Strecke von 200 km mal locker 5-7 Stunden unterwegs - vorrausgesetzt man bleibt pannenfrei und der Fahrer hat nicht vergessen zu tanken.

Bei den meisten Fahrzeugen in Uganda, ob Boda-Boda, Matatu oder Reisebus, ist übrigens ein Mut machender Spruch auf Stoßstange, Heckscheibe oder Motorhaube á la "In God We Trust" gepinselt. Na, dann kann ja nichts mehr schiefgehn. Augen zu und gut festhalten!

  • Glossar Eintrag nō 2:   Muzungus

"Hey, Muzungu!"

Das ist die Wortkombination, die mir in Uganda am häufigsten zu Ohren gekommen ist. Als Muzungus werden hier alle Weißen bezeichnet; das Wort bedeutet so viel wie "der Reisende" oder "der Suchende". Es ist dabei keineswegs abwertend gemeint, nicht wie wenn jemand bei uns "Ey, Schwarzer!" sagen würde.

Besonders die Kinder in den abgelegeneren Dörfern fahren total auf Muzungus ab. Fährt man mit dem Boda-Boda durch eins der Villages, hört man schon von weitem "Muzungu, Muzungu!"-Rufe, worauf dutzende Kinder zum Straßenrand gelaufen kommen und winken. Ein Zurückwinken wird manchmal mit lautem Gelächter und Luftsprüngen gefeiert. Superniedlich!

Natürlich wird das Attribut "weiß" in Afrika oft mit "reich" assoziiert. Vor allem in Städten wird "Hey, Muzungu!" daher gern durch "Give me my [...]!" ergänzt. Die eckigen Klammern werden wahlweise, je nach Situation, durch "money", "pants", "shoes" oder auch "sweeties" ausgefüllt.

Ebenfalls beliebt ist auch "How are you, Muzungu!". Das hört man echt an JEDER Ecke. Selbst von den Kindern, die eigentlich noch gar kein Englisch können. Die wenigsten Leute erwarten dabei eine Antwort auf die Frage und reagieren auf ein "Thankyou Sir, I'm fine, how are you?" völlig perplex.

Neben den Muzungus, womit in der Hauptsache weiße Europäer und Amerikaner gemeint sind, gibt es übrigens auch noch die Muhindis und die Muchinas. Dabei handelt es sich vermutlich um nachträglich erfundene Kunstwörter, deren Bedeutung wohl klar sein dürfte.

In Kampala angekommen fällt einem eines sofort auf: Der chaotische Straßenverkehr. PKWs, Lieferwagen, Taxen, Matatus, Boda-Bodas, Fußgänger und Lastenträger laufen, fahren, rollen und schieben durcheinander, dass dem deutschen Verkehrsteilnehmer Hören und Sehen vergeht. Und als wäre das alles nicht schon verwirrend genug: In Uganda herrscht Linksverkehr.

Fun-Fact: Das "Herz" Kampalas ist ein riesiger - haltet euch fest - Taxistand. Ebendort steigen wir aus unserem Matatu, und geraten hinein in einen absoluten Alptraum.

Mein erster Eindruck von Ugandas Hauptstadt: Die schrecklichste, dreckigste, unfreundlichste Stadt der Welt!
Allein der Weg vom Matatu zum Hotel ist für mich der reinste Höllentrip. Neben Maria, die sich zielstrebig und geschickt über die kaputten Straßen und durch die Menschenmassen hindurch manövriert, müssen Paul und ich aussehen wie verschreckte, grobmotorische Kleinkinder. "Taschen gut festhalten!"

Der Tipp kommt keinen Augenblick zu früh. Also klammern wir uns krampfhaft an unsere Rucksäcke in dem verzweifelten Versuch, Maria bloß nicht aus den Augen zu verlieren. Geduckt quetschen wir uns durch die Menge. Immer wieder müssen wir mit einem großen Satz über eines der metertiefen Löcher im bröckeligen Gehweg springen; dabei werden wir begafft von hunderten Einheimischen. Viele begnügen sich mit einem "Hello Muzungu!" oder einem "How are you?", manche greifen nach meinen Armen oder gar meinen Haaren. Ich stiere gerade aus und versuche, möglichst schnell hinter Paul und Maria herzustolpern. Bloß weg von diesem Ort!

Endlich im Hotel angekommen falle ich erschöpft auf mein Bett. Wo bin ich hier gelandet?
Ich schätze, man muss die Dynamik dieser Stadt erst lernen, sich an die Menschen gewöhnen und erkennen, wie man sich durch Kampalas Straßen bewegen muss, bevor man sich nicht mehr gänzlich wie ein Fremdkörper in einem Organismus vorkommt, der mit aller Gewalt ausgestoßen werden muss...

Nachdem der erste Schock überstanden ist, macht mir auch der Zustand des Hotelzimmers nichts mehr aus. Am liebsten den Rest des Aufenthalts hier in diesem Zimmer bleiben, denke ich mir, mit den muffigen Betten und schmandigen Vorhängen, wo der Putz von den fleckigen Wänden abbröckelt und braunes Wasser aus dem Hahn tropft. Bloß nicht wieder auf die Straße!

Doch daraus wird leider nichts, da unser Gepäck ins falsche Hotel geliefert wurde. Also wieder zurück durch die Häuserschlucht, am bewaffneten Guard vorbei und auf die Straße, wo direkt der nächste Schock auf mich wartet: Maria hat drei Boda-Boda-Fahrer angeheuert, die uns zu besagtem Hotel bringen sollen. "Keine zehn ugandischen Zebras kriegen mich auf eins dieser Selbstmordmofas", ist der Gedanke, der mir durch den Kopf schießt, doch es fehlt die Zeit, um zu protestieren. Schon sitze ich hinter dem dürren Fahrer mit der roten Wollmütze auf dem klapprigen Motorrad-Taxi - und los geht die Fahrt meines Lebens! Schon nach 10 Metern ist die Angst verflogen, der schockstarre Ausdruck auf meinem Gesicht ist einem breiten Grinsen gewichen.

Den Spaß einer ersten Boda-Boda-Fahrt durch Kampala - das muss man einfach selbst erlebt haben! Geschickt manövriert der Fahrer zwischen den Massen hindurch, vorbei an den teilweise meterbreiten Schlaglöchern; über Kreuzungen, an denen hunderte kleine und große Fahrzeuge wild durcheinander fahren. Der Verkehr lässt keine Systematik erkennen, und doch achtet hier jeder irgendwie auf den anderen, sodass der Empfehlungswert einer roten Ampel konsequent ignoriert werden kann. Wer am lautesten hupt, hat Vorfahrt.
Die Geschwindigkeit varriert zwischen 0 und 60 km/h. Schnell lernt man, dem Fahrer einfach zu vertrauen und nicht mehr auf die chaotischen Straßen zu achten, sondern stattdessen das wuselige Kampala und den Fahrtwind in den Haaren zu genießen. Zwischendurch muss ich mich beherrschen, nicht laut aufzulachen. Der Fahrer grinst mir amüsiert über den Seitenspiegel zu und gibt noch mehr Gas.

Mit einem breiten Grinsen vom Backbord- bis zum Steuerbordohr steige ich, am Ziel angelangt, von meinem Boda. Kampala ist für mich gerettet!

As-salamu alaikum - Wa-alaikum us-salam!

Die Moschee von Kampala ist auf einem der sieben Hügel der Stadt gelegen, sodass man von hier aus einen guten Überblick hat. Auf dem großen Platz vor den breiten treppen aus weißem Stein, die zur Moschee hinauf führen, sind bunte Buden und Stände mit Andenken aufgebaut. Man führt mich und Maria hinter eine dieser Buden, wo wir "transformed" werden sollen - unverschleiert ist es uns nicht erlaubt, das Gotteshaus zu betreten. Eine nette junge Ungaderin wickelt uns in lange bunte Tücher ein, bis nur noch das Gesicht zu sehen ist.
Nach einigen bösen Blicken in Pauls Richtung ist ihm das Lachen angesichts unserer Aufmachung in ein debiles Grinsen übergegangen, und unser Guide bittet uns höflich, ihm zu folgen. Am Fuße der Treppen legen wir unsere Schuhe ab; der warme Sandstein fühlt sich barfuß ohnehin viel besser an. Nicht so gut jedoch wie der flauschige Teppich, den wir kurz darauf betreten.

Damit ausgelegt ist der gesamte Innenraum der riesiegen Moschee; einer der hellsten und freundlichsten Räume, die ich je betreten habe. Man setzt uns in eine Ecke nahe der großen, zweiflügligen Eingangstür unter dem Fenster aus buntem Glas. Hier werden wir Zeugen einer muslimischen Hochzeit, die in einigen Metern Entfernung abgehalten wird. Unser Guide, ein netter alter Mann, erklärt uns die Prozedur.

Eine gefühlte Ewigkeit sitzen wir dort in unserer Ecke und lauschen den Worten des alten Gläubigen, der uns die Bedeutung der Moschee für die Stadt und ihre Menschen erklärt. Dies hier sei nicht nur ein Haus Gottes, sagt er, es sei ein Ort der Zusammenkunft, des Trostes und der Geborgenheit. Und tatsächlich, eine gewisse Magie geht aus von diesem Ort; man vergisst für eine kurze Zeit das hektische Treiben auf den Straßen Kampalas, wenn man unter den kunstvoll verzierten Bögen und Säulen herschreitet...

Die Realität hat uns wieder, als wir die 3,25 · 1019 Stufen des Minaretts erklimmen, doch unsere Mühe wird belohnt: Ein Panoramablick über die Hauptstadt Ugandas, die von hier oben wunderbar grün und freundlich aussieht. Ein bisschen fühle ich mich an Rom erinnert, als ich die sieben Hügel der Stadt zähle.

  • Glossar Eintrag nō 3:   Local Cuisine - Kleine ugandische Food-Fibel

Das ugandische Localfood besteht in der Hauptsache aus Kohlenhydraten und übertrifft das deutsche Mensaessen um Längen - zumindest in der Kategorie Geschmacksneutralität. Siehe dazu auch den Eintrag über Royco.
Hier gibt es eine kleine Übersicht der ugandischen Gerichte, die wir am häufigsten zu uns genommen haben:

Kochbananen - oder Matooke - wachsen hier wirklich überall. Ihnen ist sogar ein Geldschein gewidmet, nämlich die 10.000 UGX-Note. Die Kochbananen sind ein absolutes Grundnahrungsmittel hier; meistens werden sie unreif gekocht und zu einem gelben Brei zerstampft, der kein bisschen nach Banane schmeckt, sondern eher nach Kartoffelbrei. Ich hab gehört, dass die Früchte sogar ein bisschen süß schmecken sollen, wenn man sie reif werden lässt...

Posho ist eine weiße, feste Masse, die aus Maismehl hergestellt wird. Das Zeug ist ziemlich geschmacksneutral, macht dafür aber pappsatt. Für viele Menschen hier ist es neben Matooke das "täglich Brot". Kalo ist der gleiche Matsch wie Poshu, nur braun und aus Hirse. Meiner Meinung nach die leckerere Variante.

Ein Chapati ist eine Art indischer Pfannkuchen, der aus nichts weiter besteht als Mehl, Wasser und Salz. Man könnte Chapatis mit so vielen leckeren Dingen wie z.B. Nutella oder Schinken kombinieren! Hier in Uganda kriegt man jedoch meistens nur n Klecks Poshu.

G-Nuts, oder auch Erdnüsse (G von "Groundnuts"). Daraus wird hier die berühmte G-Nut-Sauce hergestellt, eine rosa Pampe, die ziemlich gut zu fast allem schmeckt, wenn man sich daran gewöhnt hat.

Unser absolutes Lieblingsessen hier: Rolex! Es ist etwas aufwändiger in der Herstellung als die bereits erwähnten Gerichte und wird hier an jeder Straßenecke auf kleinen schwarzen Öfen hergestellt und verkauft. Man nehme: Zwei Eier und ein bisschen Gemüse (meist Tomaten und Karotten) und stelle daraus ein Omelett her. Dies wickle man zusammen mit "seperatly fried Cabbage" in ein Chapati ein - Fertig ist das Rolex, dass man hier in Uganda nicht um den Arm, sondern im Bauch trägt. Diese ziemlich fettige Angelegenheit schmeckt zum Frühstück am besten, ist aber auch als Snack zwischendurch absolut zu empfehlen, vor allem bei einem Preis von umgerechnet 60 cent. Der Name Rolex kommt übrigens von "Rolled Eggs".

Meatsticks sind nichts anderes als Fleischspieße, die an der Roadside über offenem Feuer oder auf kleinen Grills gegart und verkauft werden. Superlecker; man muss jedoch aufpassen, wo man isst. Das Risiko, hinterher auf Fleisch mit Schuhsohlenkonsistens herumzukauen oder gar Bushmeat angedreht zu bekommen, ist recht hoch.

Käse- oder Milchprodukte gibt es kaum, und wenn dann nur in den teuren Restaurants und Hotels. Das liegt schlicht und ergreifend daran, dass hier fast niemand einen Kühlschrank hat, zumindest keinen mit ausreichender Stromversorgung.

Der Owino ist der größte der Local-Markets in Kampala und nicht weniger ehrfuchtgebietend als die Gaddafi-owino - jedoch auf gänzlich andere Weise. Selten habe ich so viele Menschen auf einem Haufen gesehen. Die meisten rufen und schreien durcheinander, lautstark wird um die Waren gefeilscht. Manche sitzen auf Kartoffelsäcken und essen, andere halten auf gestapelten Waren ein Nickerchen, wieder andere reden wild gestikulierend auf uns ein.
Immer tiefer dringen wir in den riesigen Markt vor. Hier stehen die Marktstände so dicht, dass kaum zwei Menschen nebeneinander Platz haben. Alles ist mit bunten Tüchern behängt, sodass man den Himmel nicht sehen kann. Ab und zu erreicht ein Sonnenstrahl den schlammigen Boden und macht die Staubpartikel in der Luft sichtbar. Hier unten ist es heiß und stickig; alle Geräusche klingen gedämpft, wie in einem Pillow Fort. Nichts für Leute mit Platzangst.
Es ist hier noch schlimmer als auf offener Straße. Jeder zweite greift nach meinen Armen oder Haaren, mehrmals muss ich mich gewaltsam losreißen. Viele starren oder machen Fotos mit ihren Handys. Selbst fotografiert werden will keiner von ihnen, worauf man uns lautstark hinweißt, als Paul die Szenerie mit seiner Kamera festhalten will.

Bald erreichen wir eine weniger belebte Ecke des Owino: Den Food-Market. Wir entschließen uns, hier einige lokale Speisen zu uns zu nehmen. Wir setzen uns an einen langen Holztisch zwischen die Einheimischen, die uns zu meinem Erstaunen sehr freundlich an ihrer Tafel dulden. Einer von ihnen spricht uns sogar an, will wissen, wo wir herkommen, erzählt uns, dass er selbst einmal nach Deutschland gereist ist, und empfiehlt uns einige der lokalen Köstlichkeiten. Maria bestellt für jeden von uns unterschiedliche einheimische Gerichte, sodass wir alles vom jeweils anderen probieren können.

Wenig später bringt man uns drei riesige Teller - auf jedem ist exakt die gleiche Mischung aus Matooke, Posho, Reis und Bohnen. Viel macht uns dieser klitzekleine Fehler nicht aus, denn die Aufregung hat uns hungrig gemacht.

Der Hindu-Tempel von Kampala ragt mitten in der Stadt zwischen den Häusern empor. Hunderte Tauben sitzen auf den Zinnen, die in typischer Bauweise aus gelbem Sandstein aufgetürmt sind. Nach der Aufregung auf dem Owino-Market bin ich froh, in diese Oase der Ruhe einzutreten. Namasté!

Auch hier legen wir am Eingang unsere Schuhe ab. Drinnen wird gerade ein Gottesdienst vorbereitet, aber man lässt sich von unserer Anwesenheit nicht stören. Der Gebetsraum ist hell, freundlich und bunt, jedoch nicht annähernd so groß wie der in der Gaddafi-Moschee. Die Hindus bilden eine noch kleinere Minderheit in der ugandischen Gesellschaft als die Muslime; die meisten Menschen hier sind Christen.
An der Stirnseite des großen Raumes finden wir einen kleineren Raum vor, vielleicht so etwas wie das Allerheiligste in der Kirche? Jedenfalls trauen wir uns nicht, hinein zu gehen. Der Raum ist geschmückt mit allerlei Pflanzen und Bildnissen von Gottheiten; Obst hängt von der Decke. Eine Art Opfergabe? Es ist immer wieder unglaublich, wie wenig Plan man doch von fremden Reliogenen hat...

In einer Ecke des großen Gebetsraumes finden Paul und ich eine kleine Anordnung von Instrumenten inklusive einer 5000-Watt Bass Machine. Sichtlich erheitert, ernten wir böse Blicke von den eifrigen Gottesdienstlern, woraufhin wir uns still in den Außenbereich des Tempels verziehen. Von hier aus kann man den gegenüberliegenden Sikh-Tempel sehen (Bild oben), was wir am Khanda-Symbol auf einer der Flaggen erkennen. (Wer hat nochmal keine Ahnung von fremden Religionen? Hm?)

Gerade als ich anfange, mich an Kampala zu gewöhnen, steht die Weiterreise nach Fort Portal an. Die Stadt liegt ca. 200 km von Kampala entfernt - in Uganda eine Fahrt von 5 bis 7 Stunden. Diese Strecke kann im Matatu zurückgelegt werden, doch wer es sich leisten kann, nimmt den Bus.

Mit Gepäck im Schlepptau ist Kampala wirklich alles andere als entspannt. Selbst im Taxi musst du ständig darum fürchten, jemand könnte im stockenden Verkehr den Kofferraum aufreißen und dich deiner gesamten Habseligkeiten entledigen, sodass du den Rest des Monats dieselbe Unterhose tragen musst...
Irgendwie schaffen wir es jedoch zum Buspark, ohne ausgeraubt zu werden. Maria handelt mit einem der Fahrer einen Preis für die Fahrt aus, währrend Paul und ich versuchen, die dutzenden umstehenden Einheimischen abzuwimmeln, die uns beim (weg)Tragen unserer Gepäckstücke helfen wollen.

Busfahrten laufen in Uganda etwas anders ab als in Deutschland. In den ugandischen Reisebussen sind nicht 4, sondern 5 Sitze nebeneinander in einer Reihe, auf die sich bis zu 7 Menschen quetschen. Einige stehen die gesamte Fahrt über im Gang oder sitzen auf dem Fußboden.
Wir haben Glück und ergattern 3 halbe Sitzplätze in der letzten Reihe; und sobald der Fahrer die letzte Schraube des gerade gewechselten Rades wieder angezogen hat, geht die Fahrt auch schon los.
Bald haben wir die chaotischen Straßen Kampalas verlassen, und es bietet sich uns ein Anblick auf eine afrikanische Landschaft, wie sie im Bilderbuch steht. Vorbei geht es an Feldern, Matooke-Plantagen, Urwald und kleinen Dörfern, in denen ab und zu ein neuer Passagier an Bord kommt. Doch die schaukelige Fahrt über die unasphaltierten Straßen und das monotone Gerede des Predigers, der seit Fahrtbeginn im Gang steht und lauthals das Wort Gottes verkündet, machen uns bald schläfrig...

Nach einer kurzen Pause auf halber Strecke wird der Prediger durch den Bordfernseher abgelöst. Das Wort Gottes kommt nun aus den Lautsprechern.
Wir sind die einzigen Muzungus im Bus. Ab und zu schaut ein Kind neugierig über eine Sitzlehne und winkt uns zu.

Nach guten 5 Stunden und ohne Autopanne (laut Maria ein echter Glücksfall) erreichen wir die ersten Ausläufer von Fort Portal. Die Matooke- Plantagen sind Teefeldern gewichen; insgesamt ist die Landschaft hier grüner und üppiger. Einige Paviane schauen uns gelangweilt vom Wegesrand hinterher.

  • Glossar Eintrag nō 4:   Plumpsklo und Kübeldusche

Der sprich- und wortwörtlich eiskalte Kulturschock, den ich bereits vorher erwähnt hatte, trifft uns Europäter im Bereich Sanitärtechnik besonders hart. Wer westlichen Standard will, der muss richtig blechen - den gibt es nämlich nur in den Luxus-Lodges. Mal abgesehen davon, dass Paul und ich uns sowas natürlich nicht leisten können, raten wir aber auch jedem davon ab. Zum einen, weil man sich ohnehin sehr schnell umgewöhnt; zum anderen, weil Afrika auf Augenhöhe viel spannender ist.

Richtige Duschen oder gar Badewannen hier eher unüblich. In den meisten Gästehäusern gibt es zwar welche, aber vor allem in den ländlichen Gegenden greifen die meisten Menschen auf die gute alte Regenwasser-"Kübeldusche" zurück. Wer warmes Wasser zum Duschen haben will, der muss es sich halt vorher selber kochen.

Mit Toiletten verhält es sich ähnlich - auf dem Land Fehlanzeige. Das Plumpsklo befindet sich hinten im Garten; ein kleines Lehmhüttchen mit einem Loch im Boden, nichts weiter. Aber auch daran gewöhnt man sich schnell. Man sollte nur nachts um 3 die Taschenlampe nicht vergessen...
Apropos. Die mutigen unter euch sollten mal in ein Plumpsklo reinleuchten - ist lustig was sich da unten alles bewegt. Tipp: Lampe oder Handy nicht fallen lassen, auch wenn sich der Vibrationsalarm aus 20 m Tiefe ziemlich ulkig anhört.

Von Waschmaschinen hat hier übrigens auch noch niemand was gehört. Hier wird von Hand gewaschen, mit Regenwasser und Kernseife.

Für manche von euch mag das vielleicht alles sehr schockierend klingen - aber ich kann euch versichern: Ich habe in Uganda ein Fleckchen Erde gefunden, wo es weder Dusche noch Toilette noch fließend Wasser und meist auch kein Strom gibt. Alle diese Dinge würde ich jederzeit eintauschen, um nochmal dorthin zu können...
Das Plumpsklo und die Kübeldusche, die ihr auf den Bildern sehen könnt, gehören übrigens zu eben diesem Ort, dem Jacaranda Hilltop Guesthouse in Kazunga.

Fort Portal scheint sicherer als Kampala, ist weniger belebt und weiträumiger. Hier hat man nicht das Gefühl, dauernd um Leib und Habseligkeiten fürchten zu müssen. Gänzlich entspannen können wir aber erst, als wir im Paradise Guesthouse auf unsere Betten plumpsen.
Das Paradise ist ein freundlicher kleiner Ort. Das Personal ist herzlich und zuvorkommend. Für ca. 10 € pro Nacht bewohnen wir eines der luxuriösten Zimmer des Gästehauses: Ein ca. 9 m2 großer Raum mit Fenster (durchaus nicht selbstverständlich), einem Himmelbett mit Mückennetz und sogar einem alten Fernseher (den wir höchstens an sehr verregneten Tagen gebraucht hätten, an denen es aber leider keinen Strom gibt). Einen Schrank gibt es nicht, dafür aber ein eigenes kleines Bad.
Der winzige Waschraum ist gefließt (ebenfalls nicht selbstverständlich) und hat sogar eine Dusche. "Dusche" bedeutet hier einfach nur, dass Wasser von oben kommt und man es sich nicht selber mit einem Eimer über den Kopf schütten muss. Warmes Wasser? Fehlanzeige, mehr im Glossareintrag Plumpsklo und Kübeldusche.
Bis jetzt sind wir die einzigen Gäste hier. Wie sehr wir dem Personal am Herzen liegen, merken wir, als die kaputte Klospülung und das Waschbecken bereits noch am selben Abend für uns repariert werden.

An unserem ersten Abend hier in Fort Portal gehen wir mit Maria und den anderen Freiwilligen im Dutchess Pizza essen - so will es die Tradition. Eine lustige Truppe; jeder einzelne hat gruselige und lustige Geschichten aus seinem Leben hier in Uganda zu erzählen. Der Erfahrungsschatz, den ein solches Freiwilligenjahr in Afrika anscheinend zu bieten hat, macht mich etwas neidisch.
Nachdem die (ziemlich gute) Pizza verdrückt ist, gehen die meisten nach Hause, schließlich ist morgen ein ganz "normaler" Arbeitstag für die Freiwilligen.

Paul und ich lassen uns jedoch von Olli und Enrico zu einer kleinen Kneipentour durch Fort Portal "überreden". Erste Station ist das Glue Pot (von Paul und mir fortlaufend "gnuplot" genannt, Erklärungen spare ich mir), eine kleine Bambusbar mit bunten Lichterketten. Die anwesende Gesellschaft besteht in der Hauptsache aus Locals, die sich aber von uns nicht stören lassen; scheinbar ist man hier an Muzungus gewöhnt. Nach drei Nile Special und ein paar Billiard-Runden, die ich gegen die Jungs allesamt verliere, ziehen wir weiter in eine Local Disco.

Die Menschen im Africana sind uns gegenüber aufgeschlossener (und wahrscheinlich auch betrunkener), ein paar von ihnen geben uns sogar Drinks aus. Die Musik kennen wir bereits von den letzten Tagen; Ollis und Enricos Erklärung nach gibt es hier nur etwa 25 Lieder, die abwechselnd mit westlicher 90er Mucke à la DJ Bobo oder Venga Boys rauf und runter gespielt werden (in den nächsten Tagen fanden wir diese Schilderung durchaus bestätigt).
Außer dem von der Discokugel reflektieren bunten Licht ist der Club kaum beleuchtet; die Menschen tanzen ausgelassen, ich bezahle den ganzen Abend keinen Schilling für meine Getränke, und das alles unter freiem Himmel!

Gegen halb 3 Uhr nachts fallen wir in unsere Betten. Fort Portal ist also absolut partytauglich! Dabei hatte ich mit einem Monat der Ruhe und Abstinenz gerechnet. Tja, schade.

  • Glossar Eintrag nō 5:   Cheers!

Eine wichtige Frage, die Paul und ich uns weit vor der Abreise aus Deuschland gestellt haben: Wie ist das Bier in Uganda?

Tatsächlich gibt es hier gutes und weniger gutes Bier, genau wie in Deutschland. Richtig schlechte Schädelplörre direkt aus dem Magen der Natur hab ich hier allerdings nirgendwo vorgesetzt bekommen. Bier ist jedoch relativ teuer, weshalb Tütenschnaps hier relativ beliebt ist. Ja genau, Tütenschnaps. Das Zeug schmeckt absolut widerlich, besteht aus Alkohol, permitted food flavours und aus der Verpackung herausdiffundierten Weichmachern. Sowohl das Ertragen des Geschmacks als auch der Trinkvorgang selber erfordern einiger Übung; an Gläser gewöhnte westliche Touristen sauen sich beim ersten Tütenschnaps gnadenlos ein.

Kaufen kann man diese Tüten ab 500 UGX, das sind umgerechnet nichtmal 15 Cent. Bei einem Inhalt von 100 ml und einem Alkoholgehalt von mindestens 40% tun die kleinen Plastikdrinks auch recht schnell ihre Wirkung...

Zu erwähnen wäre da auch noch der Uganda-Waragi. Zu Kolonialzeiten tauften die Engländer ihren Gin aufgrund des bescheidenen Geschmacks liebevoll "War-Gin", wovon sich der Name ableitet. Der Geschmack hat sich seit damals jedoch deutlich gebessert, vermute ich mal.

Mitten in der Nacht wache ich auf, geweckt von Pauls Schnarchen aus der anderen Ecke des Zimmers. Abgesehen davon ist es in Fort Portal nachts erstaunlich still, nur das typische Zirpen der Grillen ist zu hören. Ab und zu schreit ein exotischer Vogel. Ich lausche der Natur eine Weile.
Irgendwo in der Stadt fängt ein Muezzin an, ein Gebet zu singen. Die hohen Hänge der nahegelegenen Mondberge verleihen der Stimme einen gespenstischen Hall...

Da wir es am Abend zuvor etwas übertrieben haben, lassen wir es heute ruhig angehen. Erst gegen Mittag treibt uns der Hunger auf Fort Portals Markt.
Auf dem schlammigen Boden inmitten der Marktstände stehen ein paar Plastikmöbel unter einem fleckigen Sonnenschirm - ein Local Restaurant. Man serviert uns für ein paar Schillinge Chapati mit G-Nut-Sauce.
Gesättigt sehen wir uns den Rest des Marktes an. Belebt, ja; aber kein Vergleich zu dem riesigen Owino-Market in Kampala. Auch die Menschen hier sind deutlich freundlicher; niemand zieht mir agressiv an Händen oder Haaren.
Plötzlich treffen wir auf einen Marabu. Die riesigen Vögel kennen wir bereits aus Kampala, doch so nah sind wir bis jetzt noch keinem Exemplar gekommen. Fasziniert beobachten wir das einigermaßen hässliche Tier, bis uns auffällt, dass um uns herum noch dutzende weitere Tiere über die Wellblechdächer der Marktstände stolzieren. Anscheinend gehören die Marabus hier genauso zum Marktleben wie bei uns die Tauben.

Auf dem Rückweg beschließen wir, uns bei einer Zuckerrohr-Plantage Nachtisch zu organisieren. Ein schmaler schlammiger Trampelpfad führt uns in einen von hohen Matooke-Pflanzen umgebenen Hof, wo zwei Frauen laut schwätzend Bohnen sortieren. Hühner und Entenküken umwuseln unsere Füße; aus einer der kleinen Lehmhäuser lukt neugierig ein Kind hervor. Wir grüßen freundlich und erklären unser Anliegen, worauf eine der beiden Frauen zwei meterlange Zuckerrohrstangen herbeiholt. Nein nein, wir wollen nur ein kleines Stück probieren, versuchen wir ihr klarzumachen. Sie sagt etwas auf Rutooro, dem Dialekt dieser Gegend. Fragend schauen wir uns an, die beiden Frauen fangen an zu lachen. Wir lassen ihnen den Spaß und spielen eine Weile weiter die ahnungslosen Touristen, zwangsläufig.
Schließlich reichen uns die sichtlich belustigten, aber sehr freundlichen Frauen zwei kleine Stücke Zuckerrohr. 200 Schillinge soll unser Nachtisch kosten; das sind in etwa 5 Cent. Einen 1000er können sie nicht wechseln, doch "Kleingeld" haben wir nicht. Das wäre nicht schlimm, meint eine von ihnen, wir könnten später wiederkommen und bezahlen, sie freuten sich auf unseren Besuch.
Im Paradise wollen wir unseren 1000er wechseln. Charles von der Rezeption grinst uns nur an und schenkt uns die 200 Schillinge.
Wenig später sitzen wir auf einer Wiese, zufrieden Zuckerrohr kauend und ermutigt durch die positiven Erfahrungen mit den freundlichen Einheimischen.

Den Abend verbringen wir in dem Haus, das Maria mit 4 weiteren Freiwilligen bewohnt: Kathi, Sonja, Olli und der Local Allan, die wir allesamt bereits im Dutchess kennengelernt haben. Das Haus ist spartanisch, aber gemütlich eingerichtet. Sogar warmes Wasser gibt es. Der Garten ist von einer hohen Mauer mit Stacheldraht umgeben, wie die meisten Häuser hier. Der Guard des Hauses und der Wachhund Murmel leben ebenfalls innerhalb dieser Mauern.
Wir sitzen auf der Veranda, trinken Nile Special und Tütenschnaps. Gemeinsam lauschen wir dem allabendlichen Regenschauer, währrend Murmel schwanzwedelnd zwischen unseren Füßen herumwuselt.

  • Glossar Eintrag nō 6:   Empakos

Empakos - oder pet names - werden traditionell allen Batooro-Kindern verliehen, also allen Mitgliedern des Stammes der Tooro, deren Hauptstadt Fort Portal ist. Die Empakos werden anhand des Charakters des Kindes ausgewählt. Sie haben generell eine höhere Bedeutung als normale pet names, sind also nicht wirklich mit den bei uns üblichen Spitznamen vergleichbar.
Insgesamt gibt es zwölf verschiedene Empakos. Früher gab es geschlechterspezifische für Männer und Frauen; heute sind die meisten der Namen unisex, ein paar sind speziell für Männer. Der zwölfte - Ocaali - ist, glaube ich, für den König reserviert.

Auch ein Fremder kann von einem Einheimischen - einem Mutooro - einen Empako erhalten. Die Bedeutung einiger Empakos habe ich leider bis heute nicht herausgefunden, aber manche werden mit "Welpe", "Katze" oder "Freund des Königs" übersetzt. Die Schreibweise der Namen varriert dabei erheblich. Eigentlich genau wie bei allen Rutooro-Wörtern, die ich bis jetzt kennengelernt habe.
Wer noch keinen Namen erhalten hat oder der Meinung ist, der verliehene Name passt nicht so recht, kann ihn, ganz liberal, auch selber wählen.

Als ich aufwache, ist mir speiübel.
Kein Wunder, da wir uns am Abend zuvor in einem Anflug von YOLO die Zähne mit Leitungswasser statt mit Mineralwasser aus den versiegelten Flaschen geputzt haben.
Zum Glück stellt sich das ganze nicht als fiese Infektion heraus, sodass ich gegen nachmittag bereits wieder einigermaßen fit bin. Nach einer disaströsen Kniffelrunde mit Allan fahre ich zusammen mit Kathi ins Tooro Baby's Home - das Kinderheim, in dem Maria und Kathi arbeiten. Paul und Maria erwarten uns dort bereits.

Die große, am Hang gelegene Anlage bietet ein Zuhause für etwa 50 Kinder, die meisten im Baby- und Kleinkindalter. Begeistert kommen die Kinder auf uns zugerannt, als wir durch das große weiß gestrichene Eingangstor treten.
Die Kinder hier leben in einfachsten Verhältnissen. Jedes von ihnen hat ein Kinderbettchen in einem der großen Schlafräume, außerdem eine Schublade mit seinem Namen darauf, in der sich Kleiderspenden befinden - mehr besitzen diese Kinder nicht. Zu Essen gibt es Posho und manchmal Matooke - tagein, tagaus. Dementsprechende Stürme der Begeisterung lösen die Gummibärchen und Seifenblasen aus, die wir mitgebracht haben. Sogar die leeren Haribo-Tüten scheinen die Unterhaltung der Kinder für den Rest des Tages sicherzustellen.

  • Glossar Eintrag nō 7:   Kleine ugandische Heilpflanzenkunde

So gut wie jede Pflanze hat in Uganda irgendeine heilende Wirkung, die stark davon abhängt, wen man fragt und an welchen Leiden und Wehwehchen man gerade zu knacken hat. Die tatsächliche Heilkraft der meisten Gewächse ist dabei allerdings äußerst zweifelhaft.
Auf unseren Reisen durch das Land haben wir diverse Wunderblümchen kennengelernt. Manche helfen gegen Erkältung, andere gegen Kopfschmerzen, wieder andere wirken Wunder, wenn man vom Blitz getroffen wurde, und eine heilt sogar Vegetarismus. Die meisten Pflänzchen jedoch - wer hätte das gedacht - sind potenzfördernd oder erhöhen die Fruchtbarkeit. Klar.

Um fair zu bleiben: Es gibt auch Heilpflanzen, deren Wirkung tatsächlich wissenschaftlich bestätigt worden ist. Eine davon ist die Artemisia. Getrocknet und als Tee zu sich genommen, bietet sie einen recht wirksamen Schutz vor Malaria. Der einzige Nachteil: Man muss dafür am Tag mehrere Liter von dem absolut ungenießbaren Gebräu schlucken...

Unten links zu sehen ist eine getrocknete Vertreterin der Gattung Okaranga. Den Namen hat Olli sich ausgedacht, weil leider niemand wusste, wie das Gestrüpp mit den kleinen weißen Blüten wirklich heißt. Wirkt wahre Wunder bei verstopfter Nase!

Der botanische Garten von Fort Portal ist riesig! Unser Guide Stephen führt Paul und mich für gute zwei Stunden durch das grüne Labyrinth. Mit Wanderstöcken ausgestattet, laufen wir durch den Heilpflanzengarten (wo übrigens 90% der Pflanzen angeblich Potenzprobleme heilen), durchs weitläufige Arboretum mit den riesigen Eukalyptusbäumen, die so dick sind, dass man sie zu zweit nicht umfassen kann; durch den Blumengarten, wo Paul sogar der eine oder andere Schmetterling und Sunbird vor die Linse fliegt. Die Farbenvielfalt hier ist überwältigend. Alles hier ist bunter, sodass man fast meinen könnte, bislang alles durch einen Nebelschleier betrachtet zu haben.
Im Gemüsegarten tritt Paul in einen Ameisenhügel, was irgendwie schon ziemlich witzig ist.

Wir bedanken uns bei Stephen mit einem kleinen Trinkgeld und einem Eintrag im Gästebuch, und machen uns gegen Nachmittag auf den Heimweg.

Im Kagote, dem Haus der Freiwilligen, treffen wir auf den Hund Murmel und Enrico. Zeit für das erste Bier!
Am Abend begrüßen wir drei neue Freiwillige, die das nächste Jahr in Fort Portals Umgebung leben und arbeiten werden. Frisch aus Kampala eingetroffen, steht ihnen der Kulturschock ins Gesicht geschrieben. Als "alte Hasen" können Paul und ich die Neuankömmlinge etwas beruhigen. Schließlich lässt es sich in Fort Portal absolut aushalten.

Seit gestern Abend bin ich ohne Paul unterwegs. Ich bin auf dem Weg nach Kazunga - irgendwo dort auf einem Hügel, inmitten der riesigen Teeplantagen, soll das Jacaranda Hilltop Guesthouse liegen. Enrico, der dort wohnt und arbeitet, hat mich eingeladen, ein paar Tage dort zu verbringen. Und mir nichts als diese äußert unpräzise Wegbeschreibung hinterlassen.
Also mache ich mich auf den Weg zur Kampala Road in Fort Portal. Aufregend, das erste mal allein durch Afrika! An der Matatu-Station werde ich von 20 Fahrern gleichzeitig förmlich von meinem Boda gezerrt: "Muzungu, Muzungu! Drive with me!"
Etwas eingeschüchtert erkläre ich dem erstbesten Fahrer, dass ich nach Kazunga will, Richtung Kampala. Und noch bevor ich Chapati sagen kann, sitze ich in der hintersten Ecke eines rappelvollen Matatus.
Als sich noch weitere drei Leute zu mir auf die Rückbank gequetscht haben, entscheidet der Conductor, dass wir voll und abfahrbereit sind. 17 Menschen zähle ich aus meiner Ecke heraus. Irgendwo gackert ein Huhn.

Da ich nicht die leiseste Ahnung habe, wo Kazunga liegt und wie es dort aussieht, bitte ich meine Mitreisenden, mir am Zielort Bescheid zu geben. Eine nette ältere Frau versichert mir, ich werde sicher dort ankommen.
Den Rest der Fahrt wird sich angeregt auf Rutooro unterhalten. Ich bin mir sicher, dass sie über mich reden, aber das macht mir nichts aus. Wenn jemand zu mir herüber grinst, grinse ich halt zurück.

Bald schon ist der Urwald, der Fort Portal umgibt, endlosen Teefeldern gewichen. Ich genieße die Fahrt, der Wind weht durch das halb geöffnete Fenster und zersaust meine Haare.
Kazunga liegt eine knappe halbe Matatu-Stunde von Fort Portal entfernt und ist nicht mehr als eine unausgeschilderte Bushaltestelle mit ein paar Lehmhütten am Wegesrand. Ich bezahle den Fahrer des Matatus, verabschiede mich und steige aus. Der Ort ist mir sofort sympatisch, obwohl die Leute mich anstarren, als hätten sie noch nie eine Muzungu gesehen.
"Jacaranda Hilltop Guesthouse, 6 km" steht auf einem Schild. Also bleibt mir nichts anderes übrig, als mich auf einen Stein zu setzen und auf Enrico zu warten.

Sofort bin ich umringt von 5 neugierigen Nasen. So richtig traut sich keins der Kinder, näher zu kommen. Mein Versuch, mich mit den Kindern zu unterhalten, scheitert kläglich; sie sind wohl noch zu jung, um mein Englisch zu verstehen. Also unterhalte ich mich mehr mit mir selbst, erzähle, wo ich herkomme, was ich so mache. Die Leute sollen immerhin einen Grund haben, mich anzustarren ;).
Irgendwann kommt ein alter Mann mit roter Wollmütze dazu und beginnt, mich ununterbrochen auf einer mir komplett unverständlichen Sprache zuzuschwallern. Zwischendurch sagt er ein paar Worte auf Englisch, ich glaube "Money" und "Whiskey" zu verstehen. Ich weiß mir nicht anders zu helfen und schenke dem Mann einen meiner uralten Dollarnoten. Scheinbar außer sich vor Freude bedankt er sich überschwänglich bei mir, und nun ist mir die Situation irgendwie peinlich. Erleichtert sehe ich Enrico auf seinem Piki um die Ecke knattern.

Bis zum Gästehaus ist es ein weiter Weg über die schlammigen Pfade inmitten der Teefelder. Auf halber Strecke halten wir in einem Dorf, um uns mit ein paar Vorräten einzudecken. Enrico ist hier bekannt wie ein Pfingstochse und erledigt die Einkäufe in locker-leichtem Rutooro. Ich stehe dumm daneben und versuche, den neugierigen Leuten zu erklären, wie man meinen Namen ausspricht. "Raffi" ist hier anscheinend ein sauschwieriges Wort. Aber zum Glück habe ich ja meinen Empako...

Der steile Hang hinauf zum Gästehaus verschlägt mir den Atem. Zum einen, weil ich mit Mehl, Bier und anderen Vorräten im Gepäck zu Fuß gehen muss, da Enricos Piki mit dem Gewicht nicht fertig wird. Zum anderen wegen der atemberaubenden Landschaft, die zu beschreiben es eines Poeten bedürfte. Nebelverhängene Hügel, endlose Teeplantagen, Täler mit dichtem Regenwald bis hin zum Horizont, ein paar Sonnenstrahlen auf grasgrünen Matooke-Blättern...
Insgeheim küre ich das kleine Gästehaus, dass über dieser Landschaft tront, zum schönsten Ort der Welt. Dieser Ausblick allein ist die weite Reise nach Afrika wert.

Jeder Versuch, das Gefühl zu beschreiben, als ich das erste mal auf der kleinen Bambusveranda stehe und den Blick ins Tal schweifen lasse, wäre zur Lächerlichkeit verurteilt. Daher versuche ich es mal so auszudrücken: Es gibt hier kein fließend Wasser, Strom nur gelegentlich. Geschlafen wird in winzigen Zimmern unter löchrigem Wellblechdach, die man sich mit allerlei Kriechgetier teilen muss. Das Klo ist ein Loch im Boden im hinteren Teil des Gartens; zum Waschen und Trinken wird Regenwasser benutzt. Gekocht wird über offenem Feuer in der rußgeschwärzten Kochnische. Gegessen wird, was hier wächst oder man in den umliegenden Dörfern kaufen kann.
Doch all dieser fehlende Luxus verfliegt in die Egalität, sobald man Auge und Geist über die Hügel von Kazunga schweifen lässt und das Spiel aus Licht und Schatten beobachtet, das die Wolken auf die endlosen Teefelder zaubern...

Ich dränge darauf, noch mehr zu sehen, also machen wir am späten Nachmittag zusammen mit der neuen Freiwilligen Jennifer, die ebenfalls hier untergebracht ist, einen Spaziergang zum nächstgelegenen Dorf. Zwei Reihen wellblechbedachte Häuser, in der Mitte eine Feuerstelle - das ist schon alles. Auch hier werden wir angestarrt, aber niemand ist unfreundlich. Als es anfängt, wie aus Eimern zu regnen, gesellen wir uns zu den Locals unter eines der Vordächer. Dort schlürfen wir unser Soda, währrend der Regen so langsam den roten Staub der Straße aufschwemmt. Die Wassermassen laufen in äquidistanten Rinnsalen von dem Wellblechdach herab, sodass sich ein fluider Vorhang vor unseren Nasen bildet.

Überrascht wird man vom Regen hier übrigens eher selten. Teilweise kann man schon Stunden vorher die Regenschwaden über das weitläufige Tal ziehen sehen oder das Grollen der nahenden Gewitter hören.

Als wir zum Gästehaus und den Jacarandabäumen, die es umgeben und ihm seinen Namen verleihen, zurückkehren, ist natürlich der Strom ausgefallen - wie immer, wenn es regnet. Zum Kochen wird hier jedoch kein Strom benötigt, also bereiten William und Cyon, die beiden Locals, die hier wohnen und arbeiten, ein köstliches Abendessen zu: Es gibt Kasawa, eine Art gekochte Wurzel (glaube ich), Matooke, fried Cabbage und Pilzsauce. Da zur Zeit keine Gäste hier wohnen, genießen wir alle fünf unser Dinner und Tütenschnaps im gemütlichen Esszimmer des Gästehauses - bei Kerzenschein.

Geweckt werde ich an diesem Morgen von einem Sonnenstrahl, der durch ein kleines Loch im Wellblechdach von Enricos Unterkunft direkt in mein Gesicht scheint. Fast schon mittag! Ich wasche mir die Haare mit Regenwasser und Spüli im Plastikzuber. Als ich vor die Tür trete, lasse ich meinen Blick für eine Weile über Kazungas Hänge schweifen. Barfuß stehe ich auf dem warmen Steinboden, währrend mir eine blaue Rieseneidechse beim Haare kämmen zusieht. Eine leichte Brise raschelt in den Blättern der großen Jacaranda-Bäume, die diesem Ort seinen Namen verliehen.
Ich atme tief durch und versuche, den Moment festzuhalten. Doch da kommt schon Enrico um die Ecke, mit der Nachricht, es gäbe jetzt Frühstück. Auch nicht schlecht.
Zum Frühstücks-Rolex gibt es heißes Wasser mit Zitronengras und Rosmarin, sodass wir uns gegen Mittag gut gestärkt in den Kibale-Forest aufmachen können, der sich vom Fuße des Hügels bis hin zum Horizont erstreckt.

Schon beim durchqueren der Teefelder fällt mir auf, dass Flipflops und kurze Hosen nicht zur afrikatauglichsten Wanderkleidung gehören. Da ich meine Wandersachen in Fort Portal gelassen habe, bleibt mir jedoch keine Wahl, sodass ich bereits am Waldrand übersäht bin mit Kratzern, Schürfungen und fiesen Kletten.
Im Regenwald folgen wir einem kleinen schlammigen Trampelpfad. Vor lauter Grün sieht man die Bäume nicht mehr! Auch wenn man sich an all den exotischen Pflanzen, Lianen und der vielfältigen Insektenfauna kaum satt sehen kann: Man ist leider viel zu sehr damit beschäftigt, auf den Pfad zu achten. Von allen Seiten greifen dornige Ranken nach unseren (teilweise nackten) Füßen; fast fürchtet man, der Dschungel könnte sich den schmalen Weg zurückerobern, sobald man wegschaut...
Bald kreuzen wir einen Elefantenpfad, der offensichtlich noch vor kurzem genutzt wurde. Ein umgestürzter Baum und reichlich Elefantenmist kennzeichnen den Weg der scheuen Tiere.

Die Geräusche der für uns unsichtbaren Frösche, Vögel und Insekten sind so klischeehaft dschungelig, dass es fast lächerlich ist. Eine Sekunde zu lang lasse ich mich davon ablenken: Ein einziger unachtsamer Schritt, schon bin ich knietief in Schlamm und Elefantenshit versunken. Um mich herum gibt es keine Ranken oder Äste, an denen ich mich herausziehen könnte, also warte ich bewegungsunfähig, bis Enrico und Jenni mit Lachen fertig sind.
Mich aus dem Sumpf zu befreien kostet uns mehr Mühe als gedacht, aber schließlich können wir sogar meine Flipflops mit einem lauten Schmatzgeräusch aus dem morastigen Untergrund ziehen.

Den Rest der kleinen Wanderung durch den ugandischen Regenwald lege ich barfuß zurück, da meine schlammigen Schuhe keinerlei Halt mehr bieten. Irgendwie schaffe ich es dann auch tatsächlich zum Gästehaus zurück, mit verdreckter Kleidung, lauter Kratzern an Armen und Beinen, wunden Füßen und den Haaren voller Kletten. Aber bekanntlich kommen ja nur die Harten in den... Wald. Und lediglich die Härtesten kommen auch lebend wieder raus! ;)

Am Abend gibt es Stockbrot! Alle fünf - Enrico, Jenni, William, Cyon und ich - sitzen wir um das große Lagerfeuer; der Rauch brennt etwas in den Augen. Um uns herum nur pechschwarze Nacht; ugandische Sonnenuntergänge sind kurz. Wir lauschen den tausenden unsichtbaren Grillen, die mit der ugandischen Hitparade aus Williams Handy um die Wette zirpen. Ein Nile Special kann mich so gerade eben über den fehlenden Sternenhimmel hinwegtrösten...

  • Glossar Eintrag nō 8:   Reisekrankheiten und andere Dinge, die man sich lieber nicht einfängt

Man ahnt es vielleicht schon: In Uganda kann man sich ne Menge einfangen. Es ist nunmal ein Entwicklungsland mit entsprechenden Hygiene- und Gesundheitsstandards, die für einen empfindlichen Westeuropäer nur schwer wegzustecken sind. Hier ein paar Sachen, auf die man vorbereitet sein sollte:

Durchfall und Erbrechen sind ein alltägliches Problem, was jedoch nicht nur durch fehlende Hygiene, sondern auch durch die fremde Cuisine und vor allem durch verseuchtes Trinkwasser verursacht wird. Gut zusammengefasst von einem der Freiwilligen, der hier lieber anonym bleiben möchte: "Durchfall hat man hier eigentlich immer. Es gibt nichts Schöneres, als beim Scheißen [auf dem Plumpsklo] 20 m unter einem das befriedigende Plumpsen von festem Kot zu hören."

Uganda ist Hochrisikogebiet für Malaria. Dennoch ist die Ansteckungsgefahr relativ gering; kaum einer der Freiwilligen nimmt noch Chemoprophylaxe, geschweige denn die Einheimischen. Steckt man sich dennoch durch den Stich einer Anopheles-Mücke an, ist damit nicht zu spaßen; an Malaria sterben hier jährlich immer noch viel zu viele Menschen, meist aufgrund von unzulänglicher medizinischer Versorgung. Ein Mückennetz überm Bett ist also auf jeden Fall zu empfehlen, schon allein wegen der ganzen anderen fliegenden Plagegeister.
Für Touristen, die sich nur ein paar Wochen in Uganda aufhalten, ist Malaria-Prophylaxe dennoch auf jeden Fall empfehlenswert (da sonst im Fall einer Ansteckung vom Urlaub nicht mehr viel übrig bleibt). Das Zeug ist allerdings relativ teuer. Wer auf Albträume, Verfolgungswahn, Halluzinationen und sonstigen trippigen Psychoscheiß steht, kann sich auch mit einer deutlich billigeren Prophylaxe mit solchen Nebenwirkungen eindecken. Ich hab mich das nicht getraut. Wirkt aber auch nicht bei jedem gleich...

Grundsätzlich sind erstmal alle ugandischen Gewässer mit den Bilharziose-Parasiten verseucht, Nil und Viktoriasee eingeschlossen. Die winzigen Viecher penetrieren innerhalb weniger Sekunden die Haut des ahnungslosen (oder verrückten) Badenden und gelangen über die Blutbahn in verschiedene Organe, wo sie meist erst nach einiger Zeit zum Problem werden. Bilharziose ist behandel-, aber erst nach 10 Wochen nachweisbar. Für Paul und mich steht der Besuch beim Doktor also auch noch an, da wir es uns in einem Anflug von zu viel YOLO natürlich nicht nehmen ließen, in verschiedenste Seen zu hüpfen...

Es gibt natürlich noch mehr Kleintiere, die ein echtes Problem darstellen. Eins davon ist der "Jigger" - eine Art Käfer der im Schlamm lebt und sich unvorsichtigen Barfuß-laufenden in die Sohle frisst um dort seine Eier abzulegen. Nicht lebensgefährlich, aber sehr schmerzhaft und langwierig. Vor allem für einheimische Kinder ein Problem, die wegen Armut der Eltern oft keine Schuhe tragen.

Uganda ist im Moment kein Cholera-Epidemiegebiet (Stand: Herbst 2014). Trotzdem ist eine Impfung unter Umständen lohnenswert, da sie die ein oder andere Magen-Darm-Infektion vorbeugen kann. Wenn hier die Cholera ausbricht, sollte man sein Flugticket vielleicht lieber eintauschen und stattdessen Urlaub im malerischen Obertrubach-Bärnfels machen.

In Uganda gibt es zur Zeit ebenfalls keine bekannten Fälle von Ebola. Man sollte vorsichtshalber aber trotzdem die Finger von Fleischgerichten lassen, bei denen man nicht so genau weiß was drin ist - Fledermäuse sind Ebola-Wirtstiere. Die Krankheit ist absolut tödlich. Hoffen wir, dass Uganda weiterhin verschont bleibt (Stand: Herbst 2014).

Pflichtimpfung für die Einreise nach Uganda ist nur Gelbfieber. Dennoch werden einige andere Impfungen wärmstens empfohlen. Insgesamt kann man sich auf Impfkosten ungefähr in Höhe der Flugkosten einstellen. Ich habe mich vorab impfen lassen gegen: Hepatitis A bis Z, Typhus, Tollwut (ziemlich teuer), Meningitis ACWY, Cholera, und Malaria Chemoprophylaxe (auch schweineteuer).

Das ausgemachte Treffen mit den anderen verzögert sich etwas, da Enricos Piki streikt. Viel macht es mir allerdings nicht aus; am liebsten würde ich den Rest des Urlaubs hier in Jacaranda verbringen, einem der schönsten Fleckchen der Welt.

Doch alles hat mal ein Ende, und so sitze ich ein paar Stunden später auf meinem Boda durch die Hügellandschaft um den Kyaninga Crater Lake. Die Fahrt ist holprig, aber die Aussicht ist wunderschön. Immer wieder kommen wir an kleinen Dörfern vorbei, durch die wir mit lauten Muzungu, Muzungu!-Rufen der Kinder begleitet werden.

Vom Kraterrand kann man auf den 250 m tiefen (!), türkisblauen See hinabschauen. Ein atemberaubender Anblick! Dahinter auf dem Hügel liegt die sauteure Kyaninga Lodge, in der eine Nacht mal locker 300$ kostet. Da die Fort Portal-Freiwilligen jedoch den Manager der Lodge kennen, dürfen wir in dem malerischen See schwimmen gehen, der angeblich sogar Bilharziose-frei ist. Die türkise Farbe spricht jedenfalls für Parasiten-killende Chemikalien ;).
Da ein Gewitter aufzieht, eilen wir die steile Holztreppe durch den bewaldeten Hang hinunter, die zu einem kleinen Steg am See führt. Unten treffen wir die anderen, die gerade schon ihre Sachen packen, um im Trockenen heim zu kommen. Doch keine Warnung kann mich mehr davon abhalten, kopfüber in den kühlen See zu springen. Herrlich! Enrico und Jenni geht es ähnlich, und wir planschen durch die idyllische Kulisse, bis der Donner über uns bedrohliche Ausmaße annimmt.

  • Glossar Eintrag nō 9:   Money money money

Die ugandische Währung gehört meiner Meinung nach zu einer der schönsten der Welt. Ein ugandisches Nationaltier ziert jeden einzelnen Schein - außer die 10.000 Note, die stattdessen ein Bild von Matooke trägt. Der Umrechnungsfaktor von Euro zu Uganda Schillings, abgekürzt UGX, ist ungefähr 3340. Man schleppt also immer ziemlich große Zahlen mit sich rum; der kleinste Schein ist ca. 30 Cent, der größte ca. 15 Euro wert. Fast überall kann man auch mit US-Dollar bezahlen, jedoch nur mit Noten, die nach 2006 hergestellt wurden und nicht total zerfleddert aussehen. Mit meinen 100 1-Dollar-Scheinen von 1974 kam ich daher nicht sonderlich weit...

Zu viel sollte man allerdings nie dabei haben, da man wohl doch relativ hochfrequentiert ausgeraubt wird. Uns ist das zum Glück nicht passiert.

Heute steht schon der nächste Kratersee auf dem Plan: Der Nkuruba Lake, der eine gute halbe Boda-Stunde vom Paradise entfernt liegt. Nach dem kohlenhydratreichen Frühstück bei unserem Rolex-Stand finden wir einen Fahrer, der uns für 15.000 UGX an unser Ziel bringen will - Rückfahrt inklusive (Pustekuchen).
Ich muss zugeben, dass es zu dritt auf einem Boda nach einer halben Stunde Fahrt über Buckelpisten echt unbequem wird - egal wie spaßig Boda-Fahren normalerweise ist.

Der Nkuruba Crater Lake ähnelt dem Kyaninga nicht sehr. Er ist weniger weitläufig, unübersichtlicher, viel wilder, aber nicht weniger schön. Das kleine Camp am Kraterrand ist jedoch in keinster Weise zu vergleichen mit der riesigen Nobel-Lodge für lächerlich reiche Muzungus am Kyaninga.
Eine Lady kommt in Zeitlupe auf uns zugeschlichen, um uns nuschelnd darauf hinzuweisen, dass der Zugang zum Krater 10.000 UGX kostet - für jeden von uns. Also folgen wir ihr ebenso langsam zur Rezeption des kleinen Camps, wo sie uns einen Kassenbong ausstellen will. Natürlich müsse sie zuerst den Schlüssel zur Kasse holen, sagt sie, und verschwindet für eine gefühlte Ewigkeit. Als sie endlich zurückkehrt, malt sie Buchstabe für Buchstabe in ihr Kassenheft, die Blaupause hat sie falsch herum hereingelegt. Ich wage nicht, sie darauf hinzuweisen, da unsere Zeit auf dieser schönen Erde ohnehin schon knapp bemessen ist. Also bedanken wir uns für unseren "doppelten" Kassenzettel und machen uns eilig davon - die Dame hat ja heute bestimmt noch einen weiteren Bong zu schreiben.

Mein Frust über diese verschwendete halbe Stunde verfliegt schnell, als wir den ersten Baum erreichen, in dem ein halbes Dutzend Äffchen sitzt: Große Black and White Colobus Monkeys mit ihrem pinselartigen Schwanz, kleine graue Vervet Monkeys mit neugierigem Blick und struppige Red-Tailes. Die Tierchen sind sehr zutraulich und dulden uns in ihrer direkten Nähe, sodass Paul ein paar gute Fotos schießen kann. Streicheln lassen will sich jedoch keins der Äffchen.

Auf dem Weg um den See herum (der im Gegensatz zum blauen Kyaninga eine matschig-bräunliche Färbung hat; was üblicherweise ein Zeichen für erhöhtes Bilharziose-Risiko ist) verlieren wir den Trampelpfad - und finden uns plötzlich mitten im Busch wieder. Also kämpfen wir uns ohne Machete, dafür aber mit unhandlichen Rucksäcken durch Dornenbüsche, über umgefallene Baumstämme und an Lianen vorbei. Begleitet werden wir vom Zirpen der Grillen und Quaken der Frösche. Libellen verfangen sich in meinen Haaren. Die Luft ist schwül-warm, Schweiß läuft uns die Stirn herunter, als wir uns durch das wilde Dickicht des ugandischen Dschungels schlagen. Hoch über unseren Köpfen machen sich die Colobus-Monkeys über uns lustig.

Irgendwann stoßen wir auf so etwas ähnliches wie einen Pfad, der uns steil hinhauf an den Kraterrand führt. Offensichtlich sind wir auf der anderen Seite des großen Kraters gelandet. Hier treffen wir auf eine weitere große Gruppe Affen, die sich einen Riesenspaß daraus machen, auf Paul und seine Kamera herunterzupinkeln, thihihi :D.
Schon denken wir, wir haben uns endgültig verlaufen, da taucht zwischen den hohen Bambusbüschen eine handvoll Hütten auf - es ist das Camp, von wo aus unsere kleine Odysee begonnen hat. Unser Fahrer wartet wie versprochen am ausgemachten Treffpunkt. Auf dem Rückweg halten wir in einem kleinen Dorf. Hier lernen wir die Frau des Fahrers kennen und laden die Vorräte ab, mit denen wir uns bisher den Platz auf dem kleinen Motorrad geteilt haben.
Als wir am Gästehaus ankommen, verlangt der Fahrer das doppelte des ausgemachten Preises. Er habe uns nicht richtig verstanden, behauptet er - eine typische Masche. Wir fallen nicht darauf herein, sind aber zu müde zum diskutieren. Wir geben ihm 25.000 UGX, fast 3 € extra. Aber nur, weil wir seine Frau so nett fanden.

Den Abend verbringen wir im Kagote, dem Haus der Freiwilligen. Wir essen fantastische Burger aus dem Forest, Allans Bar, und trinken Tütenschnaps. Müde und erschöpft von der langen Wanderung mache ich mich bald auf den Heimweg. Mitlerweile macht es mir kaum noch etwas aus, nachts allein durch Fort Portal zu laufen.

  • Glossar Eintrag nō 10:   Sprachen in Uganda

Mit den Sprachen ist das hier so eine Sache. Da Uganda mal eine englische Kolonie war, ist Englisch die Amtssprache und so gut wie jeder hier spricht es fließend, was für Touristen wie uns ziemlich praktisch ist. Ausnahmen sind ältere Menschen und Kinder vor allem in den ländlichen Gebieten. Viele haben auch einen sehr starken Akzent, sodass man unter Umständen mehrmals nachfragen muss.

Eine weitere Amtssprache ist Kiswahili, was aber meiner Erfahrung nach kaum benutzt wird - zumindest dort, wo wir unterwegs waren. Vielleicht täusche ich mich auch, da sich die Bantusprachen für westliche Ohren allesamt sehr ähnlich anhören...
Was die lokalen Sprachen angeht, so gibt es davon in Uganda neben Luganda, was im Kampala-District gesprochen wird, und Rutooro, der Muttersprache der Bewohner des Tooro-Districs, von dem Fort Portal die Hauptstadt ist, noch über 40 weitere. Für Reisende lohnt es sich also kaum, eine der lokalen Sprachen zu erlernen (obwohl es sich dabei zweifelsohne um sehr schöne Sprachen handelt). Denn fährt man ein paar Kilometer in eine beliebige Richtung und versucht sein Glück dort mit ein paar Fetzen Rutooro, so wird man höchstwahrscheinlich nicht mehr verstanden - selbst mit astreiner Aussprache - da man längst in einem anderen District steht.

Die Mondberge nahe Fort Portal ragen majestätisch vor uns auf, als wir auf unseren Pikis die Stadt verlassen. Rwenzori, Mountains of the Moon, Mondberge - woher die Berge ihren Namen haben, kann man nur ahnen, wenn man in einer klaren Nacht auf einem von Fort Portals Hügeln sitzt, dem Wind lauscht und das Glitzern des Mondlichts auf den nebeligen Hängen beobachtet.
Doch jetzt ist es früh am Mittag, und Paul, Olli, Enrico, Jenni und ich sind auf dem Weg zu einem kleinen Camp irgendwo in den Bergen. Jeweils zu zweit haben wir uns ein Piki geliehen. Es ist erstaunlich, wie leicht man sich hier Sachen ausleihen kann - zumindest als Muzungu. Eine mündliche Absprache, ein bisschen Handeln um den Preis, schon hat man ein fahrtüchtiges Piki für den Rest des Tages. Keine Formulare, keine Unterschrift, nichtmal ein Führerschein oder eine Demonstration der eigenen Fahrkünste ist nötig.

Ich fahre bei Enrico mit, der mit Abstand der erfahrenste Fahrer ist. Jenni ist bei Paul untergebracht, der sich bisweilen noch etwas schwer tut, aber ansonsten ganz solide fährt für jemanden, der das erst gestern gelernt hat. Abwechselnd liefern wir uns ein Rennen mit Olli, der alleine fährt und daher deutlich schneller unterwegs ist.
Auf halber Strecke der ca. 30-minütigen Fahrt halten wir an einem großen Local-Market, um Pfeil und Bogen zu kaufen. Ja, richtig, Pfeil und Bogen. Für den bis jetzt unbewaffneten Guard des Kagote-Hauses. Da wir jedoch außer Macheten und Äxten nichts finden und auch Jennis Frage "Wo ist denn hier der Schwarzmarkt?" nicht weiterhilft, machen wir uns weiter auf den Weg Richtung Mondberge.

Nach einem weiteren Stop zur Stärkung in einem kleinen Local Restaurant erreichen wir bald den Fuß der Berge, wo unser Guide Elisha, den Enrico bereits kennt, auf uns wartet. Eine halbe Stunde lang geht es steil nach oben. Zufuß natürlich, über Feldwege, die teilweise vom Regenwasser tief ausgefurcht sind. Enrico und ich bilden die Vorhut, da er den Weg auswendig kennt. Er legt ein Tempo vor, dem ich als kleines Persönchen mit Bier im Rucksack und in der sauerstoffarmen Höhenluft nur schwer gewachsen bin. Schwitzend und keuchend versuche ich Schritt zu halten, und plumpse schließlich neben Enrico auf die Bank im kleinen Camp, das unser erstes Etappenziel bildet. Erstmal ein kühles Bier!

Wir haben fast ausgetrunken, als auch die anderen endlich um die Steile Biegung kommen. Mit Ausnahme von Elisha sind alle in einem ähnlichen Zustand wie ich, doch auf unserer Bank ist genug Platz für fünf schlappe Europäer.

Die Aussicht von hier ist atemberaubend: Man kann das ganze Tal überblicken, sogar Fort Portal glitzert am Horizont in der Sonne. Matooke-Plantagen soweit das Auge reicht. Enrico erklärt uns, dass man hier den Regen bereits eine halbe Stunde hören kann, bevor er das Camp erreicht - als ein Rauschen auf den tausenden Blättern der Bananenpflanzen. Tatsächlich ziehen in der Ferne Regenwolken über Ugandas Ebenen und zeichnen ein beeindruckendes Licht- und Schattenspiel auf die Hügel und Felder.

Nachdem Elisha uns selbstgepflückten Tee und Kaffee serviert hat, geht die Tour weiter. Wieder fast senkrecht aufwärts, eine echte Strapaze! Doch das Jammern vergeht uns instantan, als Gegenverkehr auf dem schmalen Pfad auftaucht. Eine Herde Ziegen, gescheucht von Kindern mit Stöcken, ein Hund (der Murmel ziemlich ähnlich sieht) und zwei alte Frauen, die riesige Stapel Feuerholz auf Kopf und Rücken transportieren. Respektvoll versuchen wir, auf die grasbewachsenen steilen Hänge auszuweichen, doch man lässt uns vor. Sogar Fotos dürfen wir schießen.

Da ich über Nacht eine leichte Erkältung ausgebrütet habe, schnaufe ich den Weg entlang. Ob ich erkältet sei, fragt Elisha. Ich nicke hustend. Er beugt sich hinunter und pflückt eine Pflanze mit kleinen weißen Blüten. Er zermahlt sie zwischen seinen Fingern und reicht mir die Pampe. Tief einatmen!
Zuerst spüre ich gar nichts, aber nach ein paar Sekunden sind Nase und Nebenhöhlen komplett freigepustet, wie von scharfem Senf oder Meerrettich. Ich schüttel mich, muss mehrmals nießen - und es geht mir tatsächlich besser! Wie das Gewächs heißt, will ich wissen, doch Elisha kann sich nicht erinnern. So tauft Olli die kleine weiße Pflanze Okaranga.

Weiter geht die Wanderung, an Gemüsefeldern, Plantagen und einem kleinen Wasserfall vorbei. Immer wieder bleibt Elisha stehen, um uns die Wirkung der hier wachsenden Heilpflanzen zu erklären. Eine kann sogar Vegetarismus "heilen" :D.

Von einem gegenüberliegenden Abhang hören wir Rufe. Drei kleine Jungs sitzen dort auf einem Stein und winken uns fröhlich zu. Plötzlich fangen sie an zu singen und führen sogar einen kleinen Tanz für uns auf - ein Glück, dass die Akustik hier zwischen den Hängen so gut ist (die Menschen kommunizieren hier problemlos über hunderte Meter weit)!

Dank der Bananenblätter werden wir nicht vom Regen überrascht, und sind bereits auf dem Rückweg, als die ersten schweren Tropfen vom Himmel fallen. Im Camp machen wir es uns in einer der kleinen strohgedeckten Lehmhütten gemütlich und warten den Regen ab, währrend wir uns ins Gästebuch eintragen.

Der Abstieg ist an den steilen Hängen nicht weniger angstrengend als der Aufstieg, aber bald haben wir unsere Pikis erreicht, die wir unter einem Baum geparkt haben, in dem Crested Cranes nisten - Ugandas Nationaltiere!
Die Rückfahrt nach Fort Portal gestaltet sich als deutlich schwieriger als die Hinfahrt. Zuerst haben alle drei Fahrzeuge Startprobleme, da die Kickstarter sehr temperatur- und wasserempfindlich sind. Dann ist nach 100 m Pauls Lenkstange locker, was fast einen Unfall verursacht. Währrend Enrico Paul und Jenni beim Reparieren des Motorrads hilft, erklärt Olli mir an der Roadside die Grundlagen des Piki-Fahrens. Nach der theoretischen Einführung kann ich natürlich nicht widerstehen und übe das Anfahren - das ist wirklich leichter als gedacht! Eine Sekunde, nachdem Olli mich als wahres Naturtalent bezeichnet hat, bricht mir kurzerhand die Kupplung ab. Als die anderen mit Pauls wieder funktionstüchtigem Gefährt zurückkehren und wir ihnen die schlechte Nachricht beichten, fällt es uns wie Schuppen von den Augen: Wir haben uns die letzten Schrottbodas geliehen! Natürlich ist es mitlerweile stockdunkel. Zum Glück kommt ein erfahrener Boda-Fahrer vorbei, der uns das Motorrad mit abgebrochener Kupplung bis zur nächsten Werkstatt fährt. Olli übernimmt dessen Piki.
Die Werkstatt hat natürlich schon geschlossen, auch Ersatzteile gibt es nirgendwo mehr zu kaufen. Also lässt sich Enrico für 3000 UGX erklären, wie man ein Piki ohne Kupplung fährt: Man tut es einfach. Die Kupplung sei bei diesem Modell zum Schalten völlig überflüssig. WTF.

Endlich in Fort Portal angekommen, teilen wir die Reperaturkosten fair mit den Piki-Besitzern. Natürlich ist es mitlerweile zu spät für eine Pizza im Dutchess, also essen wir "Chips & Liver " im Mastersnacks. Das Zeug ist wirklich der Hammer! Dazu ein mit Leitungswasser gemischter Saft, der sich am nächsten morgen mit Verdauungsproblemen rächt. Totally worth it!

Nach einigen recht ereignislosen Stunden neigt sich der beschauliche 20. August dem Ende zu. Die meisten Bewohner der kleinen Stadt haben sich bereits in ihre Betten verkrochen - nur in einem Fenster brennt noch Licht; gedämpfte Stimmen durchdringen die Stille der Nacht. Trügt der Schein der Beschaulichkeit? Was ereignet sich dort, zu dieser nachtschlafenden Stunde, in dem wohl behüteten Städtchen Fort Portal?
Es ist das Kagote, das Haus der Freiwilligen, in dem drei Gestalten um die kleine Kerzenflamme kauern, die so unschuldig-flackernd den Spieltisch erhellt.

Richtig, es wird gespielt - doch es geht um viel mehr als nur die Ehre. Hier geht es um Bares. Und Geld. ... Und Kleidungsstücke.
Einige Büsche Tumbleweed rollen über die staubigen Straßen, die nur vereinzelt vom dunstigen Licht einer flackernden Straßenlaterne erhellt werden. Zu hören ist nichts außer dem kühlen Nachtwind und dem Quietschen der verwitterten Saloon-Türen, die wie von Geisterhand hin- und herschwingen.
Der Saloon ist bis auf drei hartgesottene Spieler wie ausgestorben. Nichteinmal ein gelangweilter Barkeeper steht hinter dem Tresen und wischt die Theke mit einem fleckigen Geschirrtuch. Aus dem Radio schallt ein epischer Western-Soundtrack von Ennio Morricone... ... [Jaja schon gut, es gibt keinen Saloon, kein Radio (weil Stromausfall ist) und auch keine Bar. Aber das macht die Geschichte doch irgendwie farbiger, oder nicht? Also lasst mich. ... Okay?]

Dutzende geleerte Gläser stehen auf der Theke, in denen sich die Reste von Bier, Coffee-Spirit und Jolly-Jus erahnen lassen. Die Lampe über dem grün-befilzten Spieltisch schaukelt im aufsteigenden Zigarrenrauch hin- und her und beleuchtet abwechselnd die ernsten Mienen der drei Poker-Spieler. Doch mit welchen drei berüchtigten Halunken haben wir es hier zutun, die den Wilden Süden zu so später Stunde in Atem halten?

Raffi Abwouli - The Queen of Spades: Der Wilde Westen erzittert beim Klang ihres Namens. Sie beherrscht die altehrwürdige Kunst des ost-asiatischen Shaolin Kempo und Mikado. Desweiteren weiß sie, die Gesetze der Physik bisweilen außer Kraft zu setzen.
Ihre Poker-Fähigkeiten sind ebenso berüchtigt wie ihre Martial-Arts-Kenntnisse. Seit einiger Zeit läuft sie beim Bluffen nichtmal mehr rot an wie ein Schulmädchen!
Aus zwei Gründen muss sie dieses Spiel gewinnen: Zum einen will sie den Jungs zeigen, dass Poker ein Spiel für echte Männer ist. Zum anderen braucht sie das Geld, um ihre Rolex-Schulden bei Alan zu begleichen, der sie mehrmals beim Kniffeln geschlagen hat...

Olli Apuuli - The King of Diamonds: Er ist schon seit langem bekannt in der gesamten Umgebung um das kleine Western-Städtchen Fort Portal. Seit fast einem Jahr macht er hier sämtliche Saloons und Kaschemmen unsicher - immer auf der Suche nach Herausforderungen, die eines glorreichen Halunken würdig sind.
Doch heute ist Schluss mit lustig! Dies hier ist sein Revier. Eine Niederlage gegen den Hilfs-Sherrif aus der Nachbarstadt oder gegen die Fremde aus dem Norden kommt nicht in Frage, auch wenn es ihn vorerst sein letztes Hemd kostet. Die Ehre der Fort-Portal-Freiwilligen will verteidigt werden!

Enrico Atwooki - The Jack of Clubs: Tja, was hat er an diesem Spieltisch verloren? Die Legende besagt, er hätte sich zu sehr dem Genuss des Coffee-Spirits hingegeben, um sich im Vollbesitz seiner Sinne früh genug aus dem Showdown zurückzuziehen...

Die Spannung ist unerträglich. Im Saloon ist es stockdunkel. Die wacklige Spieltischlampe hat im Zuge des Stromausfalls ihren Geist aufgegeben, nur die fast heruntergebrannte Kerze spendet etwas Licht, welches bizarre Schatten auf die ernsten Minen der drei Halunken wirft.
Nichts durchdringt die Stille. Sogar die Grillen scheinen ihr nächtliches Konzert unterbrochen zu haben, um den Geschehnissen im Saloon den nötigen Respekt zu zollen. The Good, the Bad and the Ugly kauern um den Spieltisch, alle drei sind bereits absolut unangebracht (un)bekleidet. Und all-in. Im Pot befinden sich: 14.000 UGX, drei Hosen, zwei Männer-Tshirts, ein Spitzentop und fünf Socken.
Nun geht es um alles oder nichts. Die letzte Karte, die jetzt aufgedeckt wird, entscheidet. Um Sieg oder Niederlage, um Ehre oder Schande, um Rolex oder Posho. Raffi braucht die Pik-Dame für ein Full-House, Olli fehlt der Karo-König zu einem Flush. Enrico, der sich mit seiner 2-8-Hand hoffnungslos verblufft hat, hofft auf den Kreuz-Buben, einfach nur, um den anderen beiden dramatisch das Spiel zu versauen.
Langsam verbrennt der Dealer die oberste Karte vom Stapel, um den River zu ziehen. Die Handbewegung zaubert kleine Wirbel in die verrauchte Luft. Wie in Zeitlupe fällt die Karte auf den Tisch; das Geräusch, als sie auf dem grünen Filz aufkommt, ist wie tausend Erdbeben.

Die Pik-Dame.

Mit einem triumphierenden Jubelgezeter rafft Raffi den Pot an sich, währrend die beiden Jungs betreten auf ihre Unterhosen starren.
Nach drei weiteren Coffee-Spirits und einem Siegerfoto, dass das Internet niemals erreichen darf, ist Fort Portal endlich erlöst. Die Luft knistert nicht mehr, die Grillen haben ihre zirpendes Orchester wieder angestimmt, und drei müde Halunken können endlich auf ihre schmutzigen Matrazen fallen - sofern sie die nicht auch versetzt haben, chr chr...

  • Glossar Eintrag nō 11:   Bisschen Geschmacksverstärker ham noch keim geschadet

Wenn man an afrikanisches Essen denkt, dann kommen einem exotische Speisen und Gewürze in den Sinn. Aber mal im Ernst, mit Gewürzen haben die es hier in Uganda echt nicht so. Das Essen ist entweder kaum bis gar nicht gewürzt, was auf das meiste Localfood wie Matooke und Poshu zutrifft. Oder es trieft von Glutamat, Geschmacksverstärkern und anderen künstlichen Zusatzstoffen.
Für Getränke gilt dies übrigens ebenfalls, wie in den Bildern oben zu sehen ist. Besonders beliebt sind die Permitted Food Flavours. Muss man sich wohl Sorgen machen, wenn einfach nur Food Flavours drauf steht?

Fragt man einen Einheimischen nach einem typischen ugandischen Gewürz, so würde dieser wohl "Royco" antworten. Tatsächlich habe ich den Fehler gemacht, und Olli und Enrico eben diese Frage gestellt. Daraufhin haben mir die beiden glaubhaft versichert, dass Royco aus den Blättern einer Pflanze hergestellt wird, die in den Tiefen des Kibale Forest wächst und nur hier in Uganda heimisch ist.
Zur Regenzeit, wenn die seltenen Gletscher-Leoparden aus den Rwenzori-Bergen in die Wälder hinabziehen, fressen sie die Roycoblätter. Aufgrund der starken Zellstruktur der Pflanze überstehen die Blätter den Verdauungstrakt der Tiere fast unversehrt, erhalten dadurch aber ihren einzigartigen Geschmack, ähnlich wie der Kopi-Luwak-Kaffee. ...

Ohne Scheiß, Jungs, ich hätts euch fast abgekauft. Aber Gletscher-Leoparden? Ich bitte euch. Tatsächlich handelt es sich bei Royco, wie ich später herausfand, schlicht und ergreifend um die hier führende Brühwürfel-Marke, in etwa zu vergleichen mit unserem Maggi.

Am Vortag meines Geburtstages wache ich im Jacaranda Guesthouse auf. Wenn man so auf den morgentlichen Nebeldunst über den Teefeldern blickt, könnte man meinen, der Erfinder von "Morgenstund hat Gold im Mund" wäre ebenhier unterwegs gewesen.

Um halb 11 steht Kirche auf dem Programm. Ein paar hundert Meter entfernt steht die winzige Dorfkirche inmitten von Tee und Matooke. Schon auf dem kurzen Weg dorthin lösen wir Verwunderung aus - vermutlich sind wir die ersten Muzungus, die hier je einen Gottesdienst besucht haben. Als wir den kleinen Raum betreten, werden wir von zwanzig Augenpaaren ungläubig angestarrt, aber freundlich aufgenommen.
Von außen ist die Kirche nicht als solche zu erkennen; es ist eine etwas längliche Lehmhütte wie jede andere, mit aufgelegtem Wellblechdach. Drinnen ist es angenehm kühl, nicht stickig. Der vordere Teil ist etwas erhöht durch eine Lehmstufe von Rest getrennt, hier steht der kleine Altar: Ein Holztisch mit einer weißen Decke darauf, mittig ein Kreuz und eine kleine Plastikschale. An den Seiten jeweils ein Einmachglas mit lila Blumen darin, passend zu den Stickereien auf der Decke. Um die Dachbalken sind Pflanzenranken gewickelt, und durch die kleinen Fenster fällt staubiges Licht auf die grünen Blätter. Direkt vor dem Altar ist eine Bastmatte ausgebreitet - dort sitzen die Kinder.

Je drei niedrige Holzbänke sind an den Rändern der Kirche aufgereiht, wo wir zwischen den in beste Sonntagskleidung gehüllten Dorfbewohnern Platz nehmen. Der Prediger, dessen Einmarsch mit mehrstimmigem Gesang begleitet ist, wird durch drei Frauen mit fellbespannten Holztrommeln unterstützt. Alle, auch die Kinder, scheinen ihren Einsatz in sämtlichen Gospeln genau zu kennen. Wie ein gut abgestimmter Chor singen die Dorfbewohner miteinander auf Rutooro, der Sprache der Einheimischen. Die Rythmen der Trommlerinnen sind ansteckend, und Mitklatschen und fröhlich sein können auch wir Muzungus.

Der Grund unseres Besuches ist allerdings wenig sakral: Wir wollen ein Huhn ersteigern. Ja richtig, ein Huhn - dass wird hier nach dem Gottesdienst so gemacht. Der Erlös soll in eine neue Latrine für das Dorf investiert werden. Das Huhn legt dann prompt auch noch schnell ein Ei, was ebenfalls versteigert wird.

Das Tier, man ahnt es wahrscheinlich schon, ist als Hauptgang für mein Geburtstagsessen vorgesehen. Da hilft auch kein Protest: Zum Geburtstag wird in Uganda ein Huhn geschlachtet, basta. Da ich ihm sein Schicksal schon nicht ersparen kann, will ich aber wenigstens bei der Schlachtung dabei sein, so als letzte Ehre, oder so denke ich mir das zumindest. William zeigt mir genau wie alles funktioniert, und nachdem das arme Hühnchen aufgehört hat zu zucken, ist der Anblick auch gar nicht mehr so schlimm.
Der Rest des Festessens wird gemeinsam zubereitet, in der winzigen verrußten Küche über offenem Feuer. Bratreis mit Zwiebeln, Tomaten und Ei, Kalo, und Kürbissuppe mit ordentlich Royco.
Als das Abendessen serviert ist und alle Partygäste (Paul, Maria, Jenni, Enrico, William, Daniel und Olli) am Tisch Platz genommen haben, fällt natürlich der Strom aus - sodass das Geburtstagsfoto bei Kerzenschein gemacht werden muss.

Um Mitternacht wird ein Geburtstagslied am Lagerfeuer gesungen, und als Geschenk gibt es lauter Schnapstüten. Doch der Rauch des Feuers macht uns recht schnell müde, und bald wird der große Garten des Jacaranda Guesthouse wieder der ugandischen Nacht mit ihren tierischen Bewohnern überlassen.

Das Problem, wenn man in seinen Geburtstag reinfeiert: Man muss am nächsten Tag aufräumen. Wer beim Lesen meiner Geschichten ein bisschen aufgepasst hat, weiß, dass die meisten Leute in Uganda von einer Spülmaschine noch nie im Leben etwas gehört haben. Spülen von Hand ist also angesagt; mit Regenwasser, dass man sich vorher überm Feuer warm macht.
Um den Abwasch kann ich mich zwar herumdrücken, aber nur, weil ich mich dafür um die dreckige Wäsche kümmere. Waschmaschinen - man ahnt es schon - sind ebenso selten. Also verbringe ich den Morgen meines Geburtstages auf der Veranda des kleinen Gästehauses, mit Kernseife und Waschzuber, und wasche den roten Staub aus unseren Anziehsachen in der schönsten afrikanischen Matooke-Kulisse, die man sich nur vorstellen kann.

Gegen Mittag machen wir uns auf den Rückweg nach Fort Portal. Auf den staubigen Feldwegen erhalte ich ein paar Piki-Fahrstunden von Enrico, und ich glaube ich schlage mich gar nicht mal so schlecht. Die kleinen Motorräder sind schwerer als sie aussehen, und als kleines Persönchen ist es gar nicht so einfach, das Gleichgewicht zu halten. Kupplung treten, Gang einlegen, Kupplung kommen lassen, Gas geben. In der Theorie ganz leicht! Die Wissenschaftlerin in mir lässt es sich natürlich nicht nehmen, auch die Praxis zu meistern - doch als der Feldweg in die große Straße nach Fort Portal mündet, lasse ich doch lieber den Profi wieder fahren.

Auf der kleinen Brücke, die ungefähr den halben Weg in die Stadt markiert, treffen wir auf eine Bande Paviane (auf englisch übrigens sehr passend "a troop of baboons"), die gerade einen Lastwagen ausrauben. Paviane können echte Halunken sein: Sie setzen sich mitten auf die Straße, und dem ersten langsamer werdenden Auto wird von der ganzen Gruppe aufgelauert. Und wenn man dann auch noch den Fehler macht und denkt mit ein paar Leckerchen wird man sie wieder los... Ohoh. Naja jedenfalls haben wir uns schnurstracks wieder aus dem Staub gemacht. Und die beiden Babypaviane waren ja auch eigentlich ganz niedlich.

Pünktlich um 7 Uhr abends steigen wir in den Nachtbus nach Kabale. Eine echte Seltenheit: Drei bis fünf Stunden Verspätung bei öffentlichen Verkehrsmitteln sind in Uganda eher die Regel. Aber man kann ja auch mal Glück haben, und so werden wir mit unseren Rucksäcken ganz vorne im Bus untergebracht, über dem Fahrer mit direktem Blick auf die Straße. Etwas beunruhigend angesichts der fehlenden Sicherheitsgurte und dem Zustand des Gefährts, dass in Deutschland schon vor zehn Jahren nicht mehr durch den TÜV gekommen wäre. Meinen Sitz teile ich mir mit einem circa achtjährigen Jungen, der mir halb auf dem Schoß sitzt und nach fünf Minuten fest eingeschlafen ist, sodass ich versuche, so wenig wie möglich auf dem unbequemen Sitz hin- und herzurutschen. Paul hat schräg hinter mir seinen eigenen Sitzplatz (ebenfalls eine Rarität), und auch der gesamte Gang ist mit Menschen und Gepäck besetzt.

Nach zwei Stunden Fahrt - es ist bereits dunkel - erreichen wir die Stadt Kasese und den Queen Elizabeth National Park, worauf mich der Beifahrer freundlicherweise hinweißt. Nun lohnen sich die Plätze ganz vorne tatsächlich, denn schon nach wenigen Metern durch den Park lässt sich ein großer Wasserbüffel am Straßenrand blicken. Als wir einen See erreichen, müssen wir mit den Scheinwerfern die Nilpferde von der Straße scheuchen. Wenig später taucht ein riesiger Elefantenbulle im Lichtkegel auf - leider ist es zu dunkel für Fotos, und aussteigen wäre sowieso zu gefährlich.

Die Straße ist erwartungsgemäß in miserablem Zustand, was den Busfahrer zu dauerhaften, langsamen Schlangenlinien um die metergroßen und -tiefen Schlaglöcher zwingt.
So zieht sich die Fahrt noch weitere sieben Stunden dahin, obwohl die Strecke eigentlich nur lächerliche 200 Kilometer beträgt. Um vier Uhr morgens erreichen wir Kabale, das Ziel unserer Busfahrt. Der Bus wird bis zum Sonnenaufgang hier parken, sodass wir theoretisch noch ein bisschen schlafen könnten - doch die anderen Fahrgäste machen uns einen Strich durch die Rechnung. Von überall dröhnt Handymusik, Kinder schreien, Männer streiten sich. An Schlaf nicht zu denken.

Gerädert werden wir drei Stunden später in die eiskalte Morgenluft der Stadt Kabale entlassen. Auf zwei Bodas werden wir zum Lake Bunyonyi gefahren, wo wir im etwas gehobeneren "Overland Resort" unser Frühstück einnehmen. Von dort aus schlagen wir einen Wanderweg am Ufer ein.
Der große See ist gespickt von kleinen Inseln, auf dem teuer-aussehende Privathäuser für reiche Touristen stehen. Nach kurzer Wanderung begegnen wir zwei kleinen Kindern, die uns zu einem Mann führen, der uns sein Kanu verleihen will und sich selbst direkt als Führer anbietet. Sein Name sei Twinomujuni, sagt er.
Eine gute Stunde verbringen wir in dem wackligen Einbaum, der laut Twinomujuni absolut kentersicher ist. Er erzählt uns viel über die Gegend, die Berghänge, die Inseln und die Menschen, die hier leben. Viel redet er auch über das Kinderheim und die Schule, in denen er arbeitet, sodass wir zustimmen, ihn nach unserer Paddeltour und einem erfrischend-eiskalten Bad im (angeblich Bilharziose-freien) Wasser dort zu besuchen.

Im Kinderheim sind wir sofort umringt von einem dutzend kleiner Knopfaugen, von denen manche noch nie zuvor einen Europäer gesehen haben. Stolz zeigen sie uns ihre Klassenräume. "Precious" und "Innocent" und ähnlich lauten die Namen der Kinder, um die sich keine Eltern mehr kümmern können. AIDS oder Verkehrsunfälle sind meistens der Grund, erklärt uns Twinomujuni. Diese Kinder besitzen nichts - nichtmal Schuhe könnten sie den Kindern geben, weshalb viele von ihnen von Jiggern befallen wären.
Paul und ich sind so gerührt, dass wir Twinomujuni das doppelte für seine Kanutour zahlen und im kleinen Laden des Kinderheims noch ein paar tausend Schilling für Andenken ausgeben, die von den Kindern und Angestellten selbst gebastelt wurden.

Gegen Mittag sind wir zurück in der Stadt, um die Weiterfahrt ins Dorf Kisoro zu organisieren. Aus Gründen, die uns niemand erklären kann, gibt es keine Matatus nach Kisoro. Also nehmen wir uns ein Taxi, dass wir jedoch mit fünf anderen Passagieren teilen müssen. Rechts der Fahrer, Mutter mit Kind auf dem Beifahrersitz, der Vater auf der Mittelkonsole. Paul und ich teilen uns mitsamt der Rucksäcke den Sitz hinter dem Fahrer, und zwei weitere Reisende mitsamt vier Koffern füllen den Rest der Rückbank aus. Also eine ganz normale Fahrt.
Die Straße nach Kisoro besteht aus endlosen Serpentinen, scharfen Kurven und steilen Abhängen. Diesmal macht sich dann endlich meine Reisekrankheit bemerkbar, und schon nach kürzester Zeit ist mir speiübel. Bewegungsunfähig und halb begraben unter Paul und dem Gepäck, überstehe ich die Fahrt irgendwie. Als wir am späten Nachmittag das Dorf erreichen, suche ich mir ein schattiges Plätzchen und warte, bis das flaue Gefühl endlich nachlässt. Paul hat währrendessen alle Hände voll zutun, uns die sehr penetranten Bodafahrer vom Leib zu halten, die uns unbedingt für Geld überall hinfahren wollen.

Im Touristen-Büro buchen wir unsere Tour für morgen - wir wollen Mount Muhabura, den höchsten der Virunga-Vulkane, erklettern! Platt von der Reise und dem ereignisreichen Tag, und auch als Vorbereitung auf die morgigen Strapazen, verbringen wir den Abend ganz entspannt im "Virunga Hotel", in dem wir uns ein Zimmer mit warmer Dusche leisten. Herrlich!

Der Wecker klingelt um fünf Uhr morgens. In der Nacht hat es stark geregnet, weshalb natürlich der Strom ausgefallen ist. Irgendwie quälen wir uns aber auch ohne elektrisches Licht aus den Betten, packen Proviant und Kleidung in unsere Rucksäcke - und noch bevor die Sonne aufgeht, sitzen wir hinter unseren Bodafahrern, auf dem Weg zum Camp am Fuß der Berge. Fast eine Stunde dauert die holprige Fahrt durch die kalte Morgenluft. Als wir ankommen, dämmert es bereits; die letzten paar hundert Meter durch unwegsames Terrain müssen wir zu Fuß weiter.
Keuchend und schwitzend erreichen wir das Camp. über uns erstreckt sich der mächtige Vulkan Muhabura, die Spitze in Wolken gehüllt; die Venus ist im raschen Sonnenaufgang noch so gerade am Himmel zu erkennen.

Schon jetzt habe ich Zweifel, dass wir den sechs-stündigen Aufstieg schaffen werden. Doch man gönnt uns eine kleine Frühstückspause, da wir noch auf eine weitere Touristengruppe warten müssen. Als die nicht auftaucht, beginnen wir dann doch allein mit unserem Führer Gerald den mühevollen Anstieg an den Hängen des Muhabura.

Der Muhabura ist vor dem Gahinga und dem Sabyinyo der höchste der Virunga-Vulkane. Das Gebiet ist vor allem für seine Gorillas bekannt - die letzten Ugandas! Doch wer Gorillas sehen will, muss ordentlich zahlen. 500 US-Dollar pro Person können wir uns nicht leisten, also muss die Erkletterung des Berges erstmal reichen.

Schon die erste, weniger steile Etappe durch den Secondary Forest (wieder aufgeforstetes Ackerland) ist unglaublich anstrengend, doch nach einiger Zeit verfällt man in eine Art Trott; nur selten müssen wir anhalten, um zu trinken oder in der immer wärmer werdenen Luft Kleidungsschichten auszuziehen. Der Nicht-Urwald mit seinem tropischen Klima hat etwas verwunschenes an sich: Überall hängen Flechten von den knorrigen Bäumen, große Spinnen in ihren Netzen, und unübersehbare Spuren wilder Büffel. Es sei nicht unwahrscheinlich, dass wir auf einen Büffel treffen, meint Gerald. Daher hoffe er, dass uns der mit einem Gewehr bewaffnete Führer Gabriel, der im Camp auf die zweite Gruppe wartet, schnell einholt. Immer wieder checkt er über das Funkgerät die Lage, roger and over.
Nach einer Weile erreichen wir einen Bambushain; viele der jungen Triebe sind abgerissen und liegen auf dem Weg verstreut. Das waren wilde Gorillas! meint Gerald. Sie sind erst vor kurzem hier durch gekommen.
Etwa eine Stunde später erreichen wir den Primary Forest, also den Urwald. Dieser erinnert sehr an den Kibale Forest. Sogar Brombeeren gibt es hier, die allerdings noch etwas sauer schmecken.

Der erste Checkpoint, eine windige kleine Hütte an der Baumgrenze in 3100 Metern Höhe, markiert ungefähr die Hälfte der Strecke. Hier legen wir eine längere Verschnaufpause ein. Bald kommt Gabriel mit der zweiten Gruppe um die Biegung: Vier Schweizer, allesamt erfahrene Bergsteiger. Klar, dass die uns so schnell eingeholt haben, denke ich mir. Wir unterhalten uns kurz mit den Fast-Landsleuten, bevor es für Paul und mich weiter bergauf geht. Das Wetter schlug in den letzten Stunden mehrmals urplötzlich von sonnig und tropisch-heiß auf nebelig und nasskalt hin und her. Dass sei hier immer so, erklärt Gerald. Gut, dass wir uns mit unseren großen Rucksäcken für alle Eventualitäten gewappnet haben!

Die Landschaft ist mittlerweise sehr karg; nur hüfthohe Büsche, Flechten und Moose, viel Geröll. Auch die Steigung hat sich verändert: Besonders steile Abschnitte und Risse im felsigen Boden sind mit grob gezimmerten Holzleitern bestückt. Mehrmals verliere ich fast das Gleichgewicht - gut, dass Paul hinter mir meine Vorderung nach mehr Sicherheitsabstand konsequent nicht einhält, um mich mit einer Hand am Rucksack aufzufangen.

Die Aussicht ist bereits atemberaubend: Das Spiel aus Sonne und Wolken unter uns, und die beiden Vulkane zu unserer Rechten verleiten uns zu einigen Fotopausen. Sehr bald werden wir auch von den vier Schweizern überholt, die lockerleicht den Hang hinauf hüpfen, während Paul und ich nur so vor uns hinkeuchen, versuchend, vor dem gewaltigen Berg nicht das Handtuch zu werfen. In dieser Höhe ist es schon deutlich kälter, und die Luft ist mitlerweile bemerkbar dünn. Es kribbelt in den kalten Gliedmaßen, meine Hände sind taub.

Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichen wir den zweigen Checkpoint auf 3800 Metern Höhe. Keuchend lassen wir uns ins feuchte Moos fallen. Alles ist in Wolken gehüllt, Aussicht gleich null. Ab hier beginnt die schlammige, afro-alpine Vegetationszone mit ihren Riesenlobelien, seltsame Pflanzen die aussehen wie nicht von dieser Welt, und im dichten Nebel eine ganz unheimliche Atmosphäre verbreiten. Zwischendurch lässt sich in einer Wolkenlücke ein Blick auf die Spitze des Berges erhaschen: Die letzte Etappe geht fast senkrecht nach oben.
"Almost there" meint Gerald, doch dieser kürzeste Abschnitt ist gleichzeitig der längste. Fast der gesamte Pfad durch die windschiefen Lobelien ist aufgrund der starken Steigung mit Leitern ausgelegt. Unsere Bambus-Wanderstöcke bieten im Schlamm so gut wie keinen Halt mehr, und die vom Schweiß und Nebel durchnässten Kleider kleben kalt auf der Haut. Auch Paul ist der schwere Rucksack und der Sauerstoffmangel mitlerweile sehr deutlich anzusehen, wir verlieren kaum noch ein Wort. Doch an Aufgeben ist so kurz vor dem Ziel nicht zu denken, da sind wir uns auch ohne Worte einig.

"This is the final ladder. Eight minutes to the top!" hören wir Geralds Stimme durch den Nebel. Und tatsächlich, nach sechs vollen Stunden erreichen wir die Zielgerade des Mount Muhabura. Hier steht ein Schild, dass auf die Grenze nach Rwanda hinweisst, die entlang der drei Gipfel verläuft. Wir treffen erneugt auf die Schweizer, die sich bereits an den Abstieg machen.

Der Gipfel des Muhabura besteht aus einem fast kreisrunden Kraterrand mit vielleicht zwanzig Metern im Durchmesser, in dessen Mitte sich ein winziger Kratersee befindet. Hier oben scheint die Sonne, und man kann kilometerweit auf Uganda zur einen Seite, und Rwanda zur andern hinunter sehen. Der Anblick hier auf 4137 Metern Höhe ist atemberaubend!
Auf der Spitze dürften wir uns frei bewegen, sagt Gerald, der es sich auf einem Stein gemütlich gemacht hat. Doch den schmalen Trampelpfad ein Stück weiter unten dürften wir keinesfalls überqueren, das würde als illegales Eindringen in rwandisches Hoheitsgebiet gewertet.
In der Sonne ist es wunderbar warm, und wir breiten unsere Kleider zum Trocknen aus. Natürlich hüpfen wir auch in den winzigen See - das Wasser ist braun und schlammig, dafür aber eiskalt. "Lake Yolo" taufen wir das kleine Gewässer.
Den Rest der Zeit auf dem Gipfel des Mount Muhabura versuchen wir, Geralds Handymusik so gut es geht zu ignorieren und die Aussicht zu genießen, bis unser gelangweilter Führer uns zum Abstieg drängelt. Prompt zieht auch eine Wolke über uns her, die die Bergspitze in eiskalten Nebel hüllt. Also folgen wir Gerald den schmalen, grasbewachsenen Pfad hinunter, der so unschuldig die Grenze zweier Länder markiert.

Ich hätte nicht gedacht, dass der Abstieg ein Kinderspiel wird. Dass er sich jedoch als eine derartige Tortur herausstellen sollte, damit hatte ich nicht gerechnet. Auf Rücken oder Bauch liegend hangeln wir uns die glitschigen Holzleitern hinunter. Unsere Knie ächzen unter dem eigenen Körpergewicht, wann immer unsere Wanderstäbe im Schlamm nachgeben. Füße und Waden sind nach ein paar Stunden ebenso mitgenommen, die Hände sind voller Schwielen vom Umklammern der Stöcke. Mehrmals stürzen wir auf dem gerölligen Boden. Keiner von uns genießt noch die Aussicht, wir wollen nur noch nach Haus.
Als wir den unteren Checkpoint erreichen, ist die Stimmung schlecht. Die Schmerzen in diversen Gliedmaßen werden nur schlimmer, als wir uns auf die niedrigen Bambusbänke fallen lassen, während Gerald nur ungeduldig vom einen Fuß auf den anderen tritt. Mühsam muss ich Paul auf die Beine ziehen, weiter geht's.

Leise in mich hinein fluchend humple ich, die Nachhut bildend, für den Rest des Weges hinter den beiden Männern her. Müde und unaufmerksam stürze ich immer öfter, und mehr schlecht als recht kracksle ich vor mich hin.

Nach guten vier Stunden gelangen wir zurück ins Basiscamp. Mit blutigen Händen voller Bambussplitter, aufgeschundenen Beinen und die Füße voller Blasen treten wir in die kleine Hütte. "How are you?" fragt Gerald grinsend. Keiner von uns hat eine Antwort für ihn.
Kurz und wortkarg, aber freundlich, verabschieden wir uns. Ohne Pause geht es weiter zum Treffpunkt, wo unsere Bodas auf uns warten sollten. Natürlich, wie sollte es anders sein, tun sie das nicht, sodass wir uns im angrenzenden Dorf einen anderen Fahrer organisieren. Im nächsten Dorf kommen uns dann aber doch unsere eigentlichen Fahrer auf ihren Bodas entgegen, und es entbrennt ein hitziger Streit darüber, wer nun das Recht hätte, uns zurück nach Kisoro zu fahren. Der Lärm lockt die gesamte Dorfbevölkerung an; Kinder zupfen an unseren Jacken, während wir versuchen, die Fahrer zu beschwichtigen. Müde und genervt wie wir sind, sehen wir es aber absolut nicht ein, alle drei Fahrer zu bezahlen, vor allem, weil wir ja nicht diejenigen sind, die sich nicht an die Abmachung gehalten haben. Schließlich, mehr um die Situation zu beschleunigen, einigen wir uns darauf, den "versetzten" Fahrern 5000 Schilling zu zahlen. Sie gehen darauf ein und nehmen das Geld, fordern dann aber prompt weitere 5000. Jetzt reißt mein Geduldsfaden entgültig. Ich beende diesen "very african moment" indem ich unserem Fahrer sage, Gas zu geben. Dieser hat seine 15.000 schon erhalten, also tut er das auch, und wir lassen die schimpfende und gaffende Meute einfach hinter uns zurück.
Versteht mich nicht falsch, natürlich liegt es mir fern, die Einheimischen um ihr weniges Geld zu prellen. Aber mitlerweile habe ich im Gefühl, wie viel der Sprit hier kostet, und für 5000 Schilling hätten beide Fahrer den Weg fast dreimal zurück legen können.

Die Sonne geht bereits unter, als uns unser Fahrer schnell und sicher, noch vor dem Regen, am Virunga Hotel absetzt. Wir werfen einen letzten Blick auf den mächtigen Vulkan. Unbeweglich steht er da wie vorher, uns verspottend, und doch bezwungen. Raffi & Paul: 1, Muhabura: 0.

Schlapp und mit schmerzenden Gliedmaßen, aber glücklich, den mächtigen Endgegner Muhabura bezwungen zu haben, machen wir eine kurze Pause im Virunga Hotel. Doch der Tag ist noch nicht zu Ende: Wir wollen heute noch nach Kabale zurück, um morgen ganz früh den Postbus zurück nach Fort Portal zu nehmen, welcher nur alle paar Tage fährt.
An Rast ist also erstmal nicht zu denken. Wir erfahren jedoch an der Rezeption, dass uns heute kein Taxi mehr nach Kabala bringen wird - zu dunkel (angesichts des Zustandes der Straßen, irgendwie einleuchtend, denke ich mir). Der Nachtbus um neun sei die einzige Möglichkeit (oh ja, da fühl ich mich gleich viel sicherer).

Also begeben wir uns kurzerhand zum Nachtbusparkplatz am anderen Ende des kleinen Dorfes. Am Ticketschalter erklärt man uns, die Fahrkarten wären bereits ausverkauft. Na prima, denke ich mir, aber so leicht lasse ich mich nicht abfertigen, schon gar nicht als Bezwingerin des Muhabura. Paul überlässt mir die Verhandlungen.
Ob wir nicht im Gang sitzen könnten, frage ich, das sei doch so üblich hier. Muzungus, im Gang?! Der Mann blickt mich ungläubig an, führt uns dann aber doch zum Bus. Er holt zwei große Kartoffelsäcke aus dem Laderaum und legt sie in den Gang, ganz nach hinten. Unsere Sitzplätze! Ich bezahle den vollen Fahrpreis von 20.000 UGX für die Kartoffelsacklösung.

Eine kleine, mit Kerzenlicht beleuchtete Lehmhütte dient als Wartehäuschen. Müde, in der Ecke auf dem Boden sitzend, warten wir auf die Abfahrt des Busses, natürlich ist neun Uhr lange vergangen. Der Raum ist voll mit Menschen, von denen die wenigsten auf den Bus zu warten scheinen. Teilweise angetrunkene Dorfbewohner schwallern mich so penetrant zu, dass ich einen alten Trick anwenden muss. Kurzerhand wechselt der Ring, den ich sonst am Mittelfinger trage, auf den Ringfinger, und schon bin ich mit Paul verheiratet. Dieser grinst mir nur zu über die spontane Verbindung, die wir schon mehrmals zu diesem Zweck eingegangen sind. Aber es funktioniert, und den Rest der Zeit werde ich tatsächlich in Ruhe gelassen.

Kurz nachdem wir endlich auf unseren erstaunlich bequemen Kartoffelsäcken Platz genommen haben, beginnt die holprige Fahrt, und die Müdigkeit übermannt mich endgültig. Schnell nehme ich meine letzte Reisetablette, bevor mir trotz der Menschen, die immer wieder über mich hinwegklettern, die Augen zufallen. An richtigen Schlaf ist natürlich im Sitzen und ohne Lehne absolut nicht zu denken, und so döse ich in dem stockdunklen Bus vor mich hin, nur um jedesmal hochzuschrecken, wenn mir das Kinn auf die Brust sackt. Als wir die Serpentinen erreichen, die den Großteil der Strecke nach Kabala ausmachen, haue ich mit den Schultern abwechselend an den abgewetzten und teilweise scharfkantigen Armlehnen des rechten und des linken Sitzes an; zu müde, um gegenzusteuern.
Die in afrikanische Tracht gekleidete junge Frau, die auf dem Sitz links neben mir Platz genommen hat, schaut mitleidig zu mir herunter. Ich lächle gequält zurück. Plötzlich legt sie einen Arm auf meine Schulter und gibt mir zu Bedeuten, ich könne mich doch an ihrem Sitz anlehnen. Gerne nehme ich dieses freundliche Upgrade auf meine Platzsituation entgegen, und wenige Sekunden später bin ich eingeschlafen. Im Halbschlaf merke ich immer wieder, wie freundliche Hände meinen Kopf und Schultern fixieren, um mir das Hin- und Her der Schlangenlinienfahrt zu ersparen.

Stunden später, ich weiß nicht genau wie viele, erreichen wir die Stadt Kabale. In der Hektik des Aussteigens verliere ich die gute Seele aus den Augen, die mir die Fahrt so sehr erleichtert hat, und habe nichtmal die Gelegentheit, mich zu bedanken. Die eiskalte Nachtluft bringt unsere Lebensgeister nichtmal im Geringsten in Schwung, als wir auf dem erstbesten Boda zum Home of Edirisa Guesthouse fahren. Der freundliche Herbergsvater, dem wir per Telefon unsere späte Ankunft angekündigt haben, zeigt uns unser Zimmer, sogar mit eigenem Bad. Als wir totmüde auf die herrlich weichen Matrazen fallen, ist es bereits zwei Uhr morgens.

Um fünf Uhr klinget dann aber auch schon wieder der Wecker - der Herbergsvater hatte uns geraten, noch vor Tagesanbruch an der Postbusstation zu sein, um die Fahrt nicht wieder auf Kartoffelsäcken verbringen zu müssen. Ich muss Paul zwar förmlich aus seinem Bett treten, doch irgendwie schaffen wir es pünktlich. ... Und stehen uns in der kalten Morgenluft die Beine in den Bauch, auf einen Postbus wartend, der nie ankommen sollte.
Irgendwann ruft uns der Fahrer eines vorbeifahrenden Matatu zu; der Postbus sei gestern nie aus Kampala eingetroffen, da könnten wir lange warten. Aber sein Matatu führe zufällig nach Mbarara, und von da würde er uns eine Fahrt nach Fort Portal organisieren. Wir sind nicht so recht sicher, ob wir der Geschichte des Mannes glauben sollen. Aber sein Matatu ist warm und vor allem hier, was man, zumindest aufs letztere bezogen, von dem Postbus nun wirklich nicht behaupten kann. Also schlagen wir ein, und wenig später rattert der klapprige Kleinbus der Stadt Mbarara entgegen, die mit einem Umweg ungefähr ein Drittel der Strecke markiert.
Paul und ich teilen uns den Beifahrersitz. Bei einer Matatufahrt vorne zu sitzen, ist unter normalen Umständen eine atemraubende Angelegenheit, aber wir sind immer noch so müde, dass wir sofort einschlafen. Paul hat etwas mehr Glück mit seinem Platz an der Tür - immer wieder werde ich davon geweckt, dass der Fahrer mit dem ausladenden Schalthebel an meinem Bein vorbei in einen niedrigeren Gang schaltet.

Die Straße nach Mbarara ist in einem erbärmlichen Zustand, schlimmer als alles, was ich bis jetzt gesehen habe, und in Uganda gewöhnt man sich an einiges. Die ursprünglich asphaltierte Fahrbahn besteht nur noch aus einem dünnen Streifen Teer in der Mitte, rechts und links angefressen von riesigen Schlaglöchern, die einen unvorsichtigen Fahrer mitsamt seinem Gefährt mühelos die steile Böschung hinunterbefördern könnten. Immer wieder müssen wir Geröll ausweichen, was niemanden zu stören scheint, außer das Huhn, welches irgendwo auf der Rückbank leise vor sich hin gackert.
Wie durch ein Wunder ohne größere Zwischenfälle, erreichen wir nach guten drei Stunden die Stadt. Der Fahrer hält sein Versprechen und bucksiert uns direkt zum nächsten rappelvollen Matatu, in dem wir diesmal ganz hinten einquartiert werden. Die Straße ist besser, und die Fahrt ruhiger, aber die Hintern tun uns vom Sitzen mitlerweile so weh, dass wir keine fünf Minuten still halten können.
Unsere Laune bessert sich, als uns jemand durchs Fenster eine Ananas verkauft. In Uganda wächst alles lokal unter der afrikanischen Sonne, und ist daher absolut köstlich! Zum Glück haben wir ein Taschenmesser (danke Volker!) und aussreichend Klopapier dabei (ein Satz aus der Kategorie "Bitte nur im Kontext").

Nach vier Stunden, einer Fahrt durch den Nationalpark, einem erneuten Gefährtswechsel für den uns der Grund bis heute verschleiert bleibt, einem brutalen Gewittersturm mit Blitzeinschlägen auf der Straße, und einem Paul, der all das verschlafen hat, erreichen wir Fort Portal. Gerade noch rechtzeitig, denn in der Sekunde in der wir unser Zimmer im Paradise Guesthouse betreten, rebelliert mein Magen endgültig, und ich verbringe den Rest der Nacht im Badezimmer. Ob das nun an der Ananas lag?

  • Glossar Eintrag nō 12:   Ugandas Haus- und Hof-Fauna

Mal ehrlich, wen interessieren schon Elefanten und Zebras? Die kennen wir doch alle aus dem Fernsehen. Ich will hier lieber auf die ugandische Haus- und Hof-Fauna eingehen. ... *hust* ... Okay, ertappt. Ich hab keine Fotos von den richtig coolen Viechern, weil wir uns eine Safari irgendwie zeitlich und vor allem finanziell nicht leisten konnten.
Die bereits erwähnte Haus- und Hof-Fauna ist jedoch keineswegs uninteressant. Insgesamt ist hier alles etwas größer, z.B. die...

Insekten. Die gibt es hier in allen Variationen, Formen und Farben. Von großen bunten Schmetterlingen über riesige schwarze Wespen, handtellergroße Tausendfüßler, abgefahrene Raupen bis hin zu den gefährlichen Anopheles-Mücken und Tsetse-Fliegen. Nicht zu verachten sind auch die Red Ants, die zur Beginn der Regenzeit zu Fantastillionen aus dem Regenwald auf die Hügel krabbeln und in ihrem unstillbaren Blutdurst nichtmal vor Hühnern halt machen. Einmal haben wir eine kleine Schlange beobachtet, die sich versehentlich zu nah an die Ameisenstraße herangewagt hat. Die Schlange hatte nicht den Hauch einer Chance und war innerhalb von 5 Minuten fast komplett verdaut...

Aber auch um Äffchen zu sehen, muss man hier nicht lange suchen. Um die Crater Lakes herum gibt es Black and White Colobus-, Red tailed- und Vervet-Monkeys. An der Kampala-Roadside trifft man meist auf große Gruppen Paviane, und im Kibale Forest hört man die Chimpansen schreien. Wer jedoch Gorillas sehen will, muss richtig zahlen. In den ugandischen Virunga-Bergen lebt übrigens die Hälfte der gesamten Gorillapopulation der Welt. Hier hat die Gorilla-Forscherin Dian Fossey die Tiere studiert. Paul und ich haben den Bergen ebenfalls einen Besuch abgestattet, jedoch hatten wir leider keine 500 $ für Gorilla-Tracking übrig...

Was Vögel angeht, ist Uganda ein Paradies für Ornithologen! Man muss sich nichtmal lange auf die Lauer legen, um die winzigen, knallbunten Sunbirds vor die Linse zu kriegen, geschweige denn die riesigen Marabus. Doch auch in den Gewichtsklassen dazwischen hat Uganda einiges zu bieten, z.B. die großen, dunkelblauen Papageien, die dem Jacaranda Hilltop Guest House hin und wieder einen Besuch abstatten.

Reptilien und sonstiges Kriechgetier, wie zum Beispiel Geckos und Eidechsen, sind in Steinritzen und an Hauswänden allgegenwärtig. Besonders der blaue Kollege rechts hat unsere Aufmerksamkeit erregt. Zum Glück hat er für ein paar Sekunden damit aufgehört, dämlich mit dem Kopf zu wackeln, sodass Paul ihn mit dem Teleobjektiv anvisieren konnte.

Natürlich dürfen auch die Hühner und Ziegen nicht unerwähnt bleiben, die hier als Haus- und Nutztiere gehalten werden. Es gibt hier kaum Gehege oder ähnliches; die Tiere laufen einfach auf der Straße herum, woran sich auch niemand zu stören scheint. Genauso machen es allerdings die Kühe, die mit ihren riesigen Hörnern (hier ein Bild dazu) dann doch etwas mehr Respekt verlangen als ihre kleineren europäischen Artgenossen. So kann es durchaus vorkommen, dass man mal kurzzeitig vom Boda absteigen muss, wenn sich auf engen Feldwegen beefiger Gegenverkehr in den Weg stellt.

"Eine andere Welt" sind die ersten Worte, die mir vor knapp einem Monat einfallen, als ich das erste mal ugandischen Boden betrete. Heute denke ich dasselbe. Über die Ndali Lodge, ein gehobenes Touristenetablissement, irgendwo im Urwald nördlich von Fort Portal, zwei Seen überblickend, die, ohne es zu wollen, den Dualismus von Arm und Reich so offensichtlich in die Landschaft zeichnen: Der eine grau, schlammig und voller Leben; der andere türkis-blau von den chemikalien, die keine parasitären Organismen zulassen außer den reichsten Badegästen, die sich für fünfhundert US-Dollar die Nacht eine künstliche Welt erkaufen, die zwar reich an Luxus, aber arm an Erfahrungen ist.

Was ich dort zu suchen habe? Dass weiß ich auch nicht so genau. Irgendwer kennt jemanden, der jemanden kennt, und prompt sind wir für lau im Haus des Managers untergebracht, der wohl gerade für ein paar Tage verreist ist.
Die Lodge liegt auf einem Hügel mit einem herrlichen Blick auf die oben besagten Seen, umgeben nur von Natur, und bietet alles, was dem ge- und verwöhnten Hotelgast das Herz höher schlagen lässt: Heißes Wasser so viel wie man will in marmor-gefließten Bädern, ein gechlorter Pool, Essen à la Carte, und eine reichhaltige Minibar.

Zugegeben, nach der etwas erschwerten Anreise mit einem Motorschaden an Enricos Piki, einer stundenlangen Zwangspause am Stadtrand von Fort Portal, einem monsunartigen Regenschauer auf halber Strecke und einer fiesen Brandwunde am Bein, die ich mir beim Absteigen vom Moped versehentlich am Auspuff eingefangen habe, finde ich ein wenig übertriebenen Luxus gar nicht schlecht. Und schön ist es hier wirklich: Die Anlage ist gepflegt und wimmelt nur so von (für uns) exotischen Bäumen, Blüten, Vögeln und Schmetterlingen. Und zur Abwechslung in einem bequemen Bett zu schlafen, schadet auch nicht.

Doch schon nach einem Tag habe ich genug vom Luxusleben, und mache mich zusammen mit dem gleichgesinnten Enrico und seinem Piki auf den Weg zurück zum Jacaranda Hilltop Guesthouse. Meine letzten zwei Tage in Uganda will ich nicht im verlogenen Luxushotel der Superklasse verbringen - das ist für mich einfach nicht das echte Uganda. Denn ich ziehe die Bastmatte der Kaltschaummatraze vor, die Kübeldusche der Zinkbadewanne, das offene Feuer der Fußbodenheizung, und das echte Leben dem Martini am Poolrand.

  • Dubai: Das letzte Abenteuer
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  • 4. September 2014

Etwas wehmühtig blicke ich auf die Felder aus rotem Staub hinunter, die den Flughafen von Entebbe umgeben. Einen Monat dauerte unsere Reise durch das ostafrikanische Land, das mir so viele Einblicke in eine Welt beschert hat, über die mir vorher jegliche Vorstellung fehlte. Doch auch erleichtert bin ich, jetzt, auf dem Weg in eine mir sehr wohl bekannte Welt, in der Strom aus der Steckdose, Wasser aus der Leitung, und Geld aus dem Portmonee kommt.

Doch diese Rechnung wurde ohne unseren Flugplan gemacht. Paul und ich hatten so gebucht, dass wir erst nach einem zehnstündigen Aufenthalt in Dubai weiter nach Deutschland fliegen - einfach weil's billiger war. Und nach einem Monat in Uganda, was kann eine Stadt wie Dubai zwei furchtlosen Reisenden schon anhaben?

So landen wir also, um circa 8 Uhr abends, an dem riesigsten Flughafen der Welt, fest entschlossen, die Zeit zu nutzen, um ein wenig von dieser skurrilen Stadt zu sehen. Die Tagesvisa in Dubai sind kostenlos und unproblematisch am Flughafen erhältlich, so dass wir gegen 9 mit unserem gesamten Handgepäck vor dem Ausgang des Terminals stehen.

Das erste Problem, vor das wir gestellt werden, ist: Geld. Zusammen haben wir ungefähr 80.000 ugandische Schillinge bei uns, doch die will zu unserer großen Verwunderung keine der Flughafen-Wechselstuben gegen die einheimische Währung eintauschen. Keine einzige. Mühsam klauben wir unsere amerikanischen Dollar aus den Nischen unserer Rucksäcke, und zusammen kommen wir immerhin auf 28 $. Jackpot!
Denken wir. Der Plan, unser doch recht sperriges Handgepäck am Flughafen einzuschließen, scheitert an den horrenden Schließfachgebühren von 20 $ - denn auch die Schließfächer schlucken natürlich keine Schillinge. Also dann eben mit Gepäck!
Die zweite Hürde ist meiner etwas blauäugigen Planung geschuldet, "einfach vom Flughafen aus in die Stadt zu laufen". ... Dubais Flughafen ist so riesig, dass er allein wahrscheinlich mindestens sieben verschiedene Postleitzahlen hat, was mir bei unserem 40-minütigen Bustransfer vom Flugzeug zum Terminal hätte auffallen können. Zu Fuß über die achtspurige Autobahn wäre man die halbe Nacht unterwegs, bevor man den Stadtkern überhaupt erreicht - es muss also ein Taxi her.
Wer nun über ein bisschen Lebenserfahrung verfügt und den Preis eines Flughafentaxis von den Schließfachgebühren hochzurechnen vermag, der kommt schnell darauf, dass ein Taxi in unserem Fall nicht das Transportmittel der Wahl sein kann. Also was nun?

Nach einer Weile finden wir einen Busfahrer, der vor seinem Gefährt gemütlich eine Zigarette knuspert und sich einverstanden erklärt, uns für 7 $ pro Nase in die Stadt zu fahren - unter der Bedingung, dass wir so lange warten, bis sich genug Fahrgäste gefunden hätten, damit sich die Fahrt für ihn auch lohnt. Na klar!
Das dauert auch nur eine knappe halbe Stunde, die Paul und ich damit verbringen, aus dem auf 11 °C klimatisierten Bus in die fast 40 °C heiße Nachtluft von Dubai ein- und auszusteigen.

Die Busfahrt durch Dubai gleicht einer Tour über einen retro-futuristischen virtuellen Weihnachtsmarkt. Alles, wirklich ALLES ist behängt mit Lichterketten, LEDs, bunter Leuchtreklame. Es gibt nichts, dass nicht leuchtet. Palmen, Kreisverkehr-Kunstwerke, ja sogar die Leitplanken sind in quietschbunte Blinkeleien eingewickelt, dass dem weihnachtsbeleuchtungsfanatischen Vorstadtamerikaner die singenden Plastikrentiere vom Dach fallen. Und dabei haben wir erst September.

Nach einem obligatorischen Besuch des Burj Khalifa, bei dem uns der Busfahrer freundlicherweise kurz aussteigen lässt, endet unsere Fahrt an einem "local beach", also einem der wenigen Strände, die nicht zu Hotelkomplexen gehören. Mitlerweile ist es 2 Uhr nachts. Der Plan: Einmal kurz Nacktbaden zur Abkühlung, denn Badesachen haben wir nicht dabei. Aber ist ja mitten in der Nacht, stört ja keinen.
Wieder weit gefehlt, und wieder hätte man sich das vorher denken können. Niemand, der noch ganz bei Trost ist, wagt sich tagsüber vor die Tür in einem Land, in dem das Thermometer mitten in der Nacht noch knallharte 38 °C anzeigt. Und wo sind alle, bei dem Wetter, mitten in der Nacht? Am Strand natürlich.

Also nicht das Nacktbaden in einem arabischen Staat generell eine gute Idee wäre, aber an diesem völlig überfüllten Strand sind selbst Paul und ich schlau genug, das lieber sein zu lassen. So suchen wir uns ein freies Plätzchen im Sand, wo wir unsere Sachen abstellen. Paul meldet sich freiwillig, als erster aufs Gepäck aufzupassen, und so gehe ich, in Boxershorts und langem T-Shirt meiner Meinung nach angemessen gekleidet, aufs Wasser zu. Stockdunkel ist es nicht gerade - die Stadt produziert so viel Lichtverschmutzung, dass ständig eine orange Lichtwolke über ihr schwebt - aber es ist dämmrig genug, dass man Menschen nur als schattige Umrisse wahr nimmt.
So stapfe ich also durch den Sand, bis mir plötzlich ein Mann auf arabisch etwas hinterher schreit. Ich denke mir nichts dabei und erreiche schließlich das Meer. Das Wasser ist unglaublich salzig und wärmer als eine Badewanne. Ich plansche dennoch ein bisschen vor mich hin, bis mich ein zweiter Unbekannter auf arabisch anschreit. Ein dritter schwimmt mir in den Weg und sagt etwas Unverständliches, das aber eindeutig unfreundlich klingt. Langsam kommt mir die Sache mulmig vor. Und dann fällt es mir wie Schuppen von den Augen: Hier ist keine einzige andere Frau am Strand!

Etwas panisch pruste ich Paul die Neuigkeiten entgegen, der sich aber nicht aus der Ruhe bringen lässt, ebenfalls ein paar Ründchen im Wasser zu drehen. Halb in Sand und Gepäck vergraben harre ich aus in der Hoffnung, im Halbdunkel nicht von noch mehr Leuten als weibliches Wesen erkannt zu werden. Doch auch dieser Plan geht nicht auf, so dass Paul und ich nur wenig später etwas hastig und in triefenden Kleidern vom Ort des Geschehens fliehen müssen, um nicht mit Sand beworfen zu werden. (Von dieser Aktion stammt übrigens das Foto unten, mit Selbstauslöser auf der Mülltonne.)

Ein Taxifahrer, der etwas englisch spricht und uns freundlicherweise für den letzten Rest unserer Dollars zurück zum Flughafen kutschiert, erklärt uns die Sachlage: Es gibt Strände für Männer, und Strände extra nur für Frauen und Kinder. Es ist streng genommen nicht verboten, als Frau an einem Männerstrand zu baden, wird aber extrem selten geduldet, weder von Zivilisten noch von der Polizei. Ganz schön Glück hätten wir da gehabt, das keiner rechtzeitig die Bullen gerufen hat.

Erleichtert und euphorisch, aber auch müde von unserem kleinen Dubai-Abenteuer sitzen wir ein paar Stunden später im Nachtflug nach Hause. Mit Salz in den Ohren, Sand in den Unterhosen und Erinnerungen im Handgepäck, die einmalig sind.

Ein Abenteuer, das war es, ohne Zweifel. Bis zum Schluss.